Die Wiener Stadtregierung hat sich eine “Demokratie-Strategie” verordnet. Auf Initiative von Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) wurde bereits 2023 ein Prozess in Gang gesetzt, der mit einer Enquete begann, von einer politikwissenschaftlichen Studie gestützt und im Frühjahr 2024 in ein Beteiligungsformat überführt wurde, an desen Ende im Mai 2025 ein Gemeinderatsbeschluss stehen sollte. Vertreter:innen von WirMachenWien wurden dazu eingeladen und haben sich am Erarbeiten von Textgrundlagen beteiligt.
Enquete als Startschuss, Studie als Grundlage
Bei der “Wiener Demokratie-Enquete” im Frühjahr 2023 wurde die gemeinsame Entwicklung einer Wiener Demokratie-Strategie angeregt. Diese soll der Stadt Wien einen Rahmen für den notwendigen Demokratie-Ausbau der kommenden Jahre geben, wie hier geschildert ist. In einer Studie der Politikwissenschafterin Tamara Ehs im Auftrag der Arbeiterkammer Wien wurden Defizite der Demokratie in Wien beschrieben. In der Presseaussendung der Stadt wurde dies so zusammengefasst:
Gerade Menschen mit geringen Einkommen beteiligen sich weniger am Stadtgeschehen, fühlen sich oft kaum angesprochen von den Mitsprache-Angeboten. Die Studie zeigt einen Trend, der in vielen Städten zu beobachten ist: Zu viele Menschen wenden sich von der demokratischen Beteiligung ab oder kommen erst gar nicht an.
Die Frage nach der Wirksamkeit von existenten Beteilgungsformaten wird in der Studie ebenso behandelt. Durch die Schaffung von Petitionsgesetz, Beteiligungsplattformen, Bezirksbudgets, Klimateam, Grätzlmarie, Grätzloasen und Bürger:innen-Räten finden Wiener:innen zwar ein breites Beschäftigungsangebot an Beteiligungsformaten vor, deren Auswirkungen sind aber gering. Vor allem zum Petitionsrecht findet sich in der Studie das Urteil einer “gewissen Tendenz, bisheriges Regierungshandeln zu bestätigen”. Mehr dazu in unserem Artikel hier.
Auftaktveranstaltung mit Wencke Hertzsch (links), Leiterin des neuen Büros für Mitwirkung der Stadt Wien.
Der Ablauf des Strategieprozesses
Die Wiener Demokratie-Strategie wird bis zum Frühjahr 2025 durch das neu geschaffene “Büro für Mitwirkung” mit Umsetzungsunterstützung durch Urban Innovation Vienna, einer GmbH der Stadt Wien, und unter Beteiligung von Stakeholder:innen der Verwaltung, Exper:tinnen, Vertreterinnen der Zivilgesellschaft entwickelt. Insgesamt teilt sich der Prozess in fünf Phasen.
Nach dem Arbeitsauftakt am 16. Mai 2024 brachten bis zum Juli 2024 viele verschiedene Expert:innen ihre Vorschläge für einen ersten Entwurf ein. Dieser soll im Juli bis 17. September gemeinsam mit Wiener Bürger:innen an mehreren Terminen an öffentlichen Orten diskutiert werden. Details zu den konkreten Terminen findet ihr hier.
Im Herbst 2024 ab 18. November bis 18. Dezember 2024 sollen sich alle Interessierten online einbringen können.
Über den Winter von 10. Januar 2025 bis 30. März 2025 werden diese Rückmeldungen eingearbeitet, mit Verwaltung und Politik besprochen, verdichtet sowie im Anschluss präsentiert.
Im Frühjahr 2025 ab 1. Mai 2025 – 21. Juni 2025 soll die Wiener Demokratie-Strategie dem Wiener Gemeinderat vorgelegt werden.
Arbeitsgruppen in sieben Themenfeldern
Auf Grundlage der Zielformulierungen der Smart Klima City Wien Rahmenstrategie und unter Berücksichtigung schon bestehender Strategien wie der “Wiener Kinder- und Jugendstrategie 2020 – 2025” oder “Inklusives Wien 2030″ ” wurde im Juni und Juli 2024 zu folgenden Themenfeldern in Arbeitsgruppen gearbeitet:
Information ausbauen und Barrieren abbauen
Beteiligung institutionalisieren
Politik und Verwaltung öffnen
Demokratie- und Meinungsbildung fördern
Zielgruppen aktivieren
Zusammenleben und Miteinander stärken
Gesprächs- und Streitkultur fördern
Zwei Vertreter:innen des WirMachenWien-Büros waren bei diesen Arbeitsgruppen je nach zeitlicher Möglichkeit vertreten und haben ihre Sichtweisen im Interesse der Bürger:innen-Initiativen unserer gemeinsamen Plattform eingebracht.
Alec (Bildmitte) und Bernhard waren bei der Auftaktveranstaltung, bei den Arbeitsgruppensitzungen und im Online-Austausch vor allem zu den Themen Institutionalisierung und Politiköffnung aktiv. In einem spannenden Hinterzimmer am 11. Juli konnten sich Vertreter:innen von WirMachenWien-Initiativen direkt bei Prozessverantwortlichen der Stadt Wien einbringen, daraus resultierte ein zusätzliches Vorschlagspapier für konkrete Maßnahmen (download hier)
Anforderungen an echte Partizipation
Im Hinterzimmer wurden Bedürfnisse und Erwartungen der anwesenden Initiativen-Vertreter:innen an funktionierende Partizipation mit Prozessverantwortlichen der Stadt Wien besprochen. Wichtig dabei war, dass die anwesenden WirMachenWien-Aktiven jener kleinen aber hoch aktiven und politisch gut informierten Gruppe der Wiener:innen angehören, die vorhandene Instrumentarien der Beteiligung selbst kennt, nutzt und dadurch auch die Schwächen der Mittel von Petition bis Klimateam und Agenda selbst erfährt und schlussendlich frustriert wird.
Wenn Beteiligungsformate der Stadt als „Particitainment“ empfunden werden, die Energie und Inputs der Bürger:innen einverlangen aber keine konkrete Auswirkung auf realpolitische Entscheidungen nach sich ziehen, steigt der Frust weiter, ohne dass nötige Transformationen und Verkehrsberuhigungen in ausreichendem Maß passieren.
Zu den grundlegenden Ansprüchen aus dieser Perspektive gehören:
Beiträge von Bürger:innen-Initiativen (BI) schätzen, nicht ausnutzen
Augenhöhe im Dialog und Wertschätzung in indirekter Kommunikation (Pressearbeit etc.)
Transparenz und Informationsweitergabe bei Studien, Entscheidungen, Planungen
Lokale Expertise der politisch aktiven Nutzer:innen annehmen
Wir bleiben dran! Denn Wien braucht echte Partizipation in seiner Demokratie-Strategie.
Fotos: Aline-Marie Hoffmann, Jakub Han
Grafik: Stadt Wien