Bürgermeister Ludwig und Klimastadtrat Czernohorszky haben einen Entwurf für ein Wiener Klimagesetz präsentiert. Wir haben hier in diesem Artikel die Mechanismen des Entwurfs erklärt. Es wird auf eine Fülle von bereits eingeführten oder geplanten Mechanismen und Instrumenten zurückgegriffen wie z.B. den Klimarat, das Klimabudget und den Klimafahrplan. Angesichts des Wissensstandes zur Klimakrise, deren konkreten Auswirkungen auf unsere Stadt und der nötigen Steigerung der Maßnahmen-Intensität zur Krisenresilienz und Treibhausgasvermeidung muss das Klimagesetz jedoch in einigen zentralen Punkten verbessert werden.
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Die Stadtregierung bekennt sich im Klimagesetz-Entwurf zum Ziel der Klimaneutralität bis 2040 für Wien und Österreich sowie zu den Pariser Klimazielen von 2015, die festhalten, dass der weltweite Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken ist. 2024 wurde diese Erhitzungsgrenze global bereits überschritten, die Kurve zeigt weiter steil nach oben. Die Stadtregierung muss ihrer Verantwortung nachkommen und dafür dem Gemeinderat das bestmögliche Klimagesetz zum Beschluss vorlegen, das Grundregeln der Wirksamkeit, Transparenz, Kompetenz und Kontrolle einhält.
Darstellung des Verbesserungspotentials im KG-Entwurf
Evaluation wirksam machen – Im Entwurf sind keine Zeitschienen für die Evaluation der Klimaschutzmaßnahmen laut Klimafahrplan aufgeführt, nur der Terminus “regelmäßig”. Das ist zu wenig präzise. Die Kompetenzen der Koordinationsstelle, die die Evaluation umsetzt, sind nicht ausreichend definiert, ihre Unabhängigkeit vom politischen Auftraggeber ist nicht gewährleistet. Die Wirksamkeit der Sofortmaßnahmen, die aus negativen Evaluationen abgeleitet werden können, ist nicht gesichert.
Einberufungen zeitgemäß und resilient gestalten – Nur der Bürgermeister kann laut Entwurf die Sitzungen der zentralen Steuerungsgruppe einberufen und leiten. Diese Regelung ist weder demokratisch noch krisenfest. Auch die Mitglieder des Klimarates können nur vom Bürgermeister bestellt werden, die Abberufung ist darüber hinaus formal unzureichend geregelt. So können Mitglieder gemäß vorliegendem Gesetzestextes “aus wichtigem Grund abberufen werden”. Unklar bleibt, was für Gründe dafür in Frage kommen und durch wen die Abberufung erfolgt. Das sind handwerkliche Mängel, die auch den zeitgemäßen Partizipationsansprüchen nicht genügen.
Ziele einhalten – Der unverbindliche Ansatz des vorliegenden Klimagesetz-Entwurfes bedeutet, dass wesentliche Fragen zur Erreichung der sogenannten Sektorziele – also der maximalen Treibhausgasemissionen aufgeschlüsselt nach Handlungsfeldern – weiterhin unbeantwortet bleiben. Die Ziele und Zeitpfade des Klimafahrplans sind inhaltlich nicht vom Klimagesetz erfasst, ihre Einhaltung ist aber essentiell. Der Klimacheck darf laut Entwurf keine bereits geplanten Bauvorhaben erfassen, deren Umsetzung noch nicht begonnen hat.
Beteiligung der Bevölkerung stärken – Im dreiteiligen Klimarat wird der Klimarat – Gesellschaft (Sounding Board) definiert, der aber neben vier Vertreter:innen von Umweltorganisationen nur fünf Bürger:innen beinhaltet, die keiner Organisation zugeordnet sind. Demgegenüber stehen in diesem Teil des Klimarates aber Gemeinderät:innen von Oppositionsparteien, Bundesbeamte und Kammervertreter:innen sowie Wirtschaftstreibende. Auch der Klimarat – Stadt (City Board) wird ausschließlich mit Gemeinderät:innen und Verwaltungsbeamt:innen besetzt. Die Bevölkerung ist also stark unterrepräsentiert und hat im Stellungnahmen-Mechanismus wenig Möglichkeiten. Die Einbeziehung in die fünfjährliche Erstellung des Klimafahrplans entspricht nicht den zeitgemäßen Partizipationsansprüchen.
Um diese Problematiken zu entschärfen, hat die Plattform WirMachenWien bisher folgende Vorschläge ausgearbeitet, die sicherstellen sollen, dass die Zielsetzung des Klimagesetzes erfüllt wird. Wir freuen uns auf weitere Vorschläge an info@wirmachen.wien und werden die fertige Stellungnahme am 10.10. an das Magistrat übermitteln.
Jährliche Evaluierung durch Klimarechnungshof
Es ist notwendig, die Formulierung „regelmäßige Evaluierung“ durch einen konkreten Zeitraum zu ersetzen, dafür schlagen wir eine jährliche Evaluierung vor. Diese Päzisierung ist aus unserer Sicht unabdingbar, damit noch innerhalb des vergleichsweise langen Zeitraums von fünf Jahren, die von einem Klimafahrplan umfasst sind, Korrekturmaßnahmen getroffen werden können, falls die Erreichung der Klimaziele in Gefahr ist.
Für eine bestmögliche Evaluierung schlagen wir die Einrichtung eines eigenständigen Klimarechnungshofes vor. Dieser soll analog zum Stadtrechnungshof mit fachlicher und organisatorischer Expertise ausgestattet werden, um eine objektive und sachliche Kontrolle der Verwaltung zu ermöglichen.
Der Klimarechnungshof für Wien soll als zentrale Wissensinstanz positioniert werden, die auch die Klimachecks für Gesetze und Verordnungen bzw. Bauvorhaben durchführt. Der Klimarechnungshof prüft somit – anders als der bekannte Rechnungshof – Bauvorhaben und Verwaltungsmaßnahmen im Vorhinein. Darüber hinaus überprüft der Klimarechnungshof in der jährlichen Evaluation die konkreten Zielpfade des Klimafahrplans auf Erreichung zu Jahresende.
Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung liegen bereits die Ergebnisse des Forschungsprojekts “Klimarechnungshof.Jetzt” aus dem Jahr 2023 vor. „Wir brauchen zeitnahe, fundierte und multidimensionale Prüfungen, auf die sich politisch verantwortliche Stellen berufen können“, hält dazu Dr. Milena Bister, Wissenschaftsforscherin an der Universität Wien, fest.
Bürger:innenrat entscheidet über Sofortmaßnahmen
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass ein Sofortprogramm ergriffen wird, wenn bei der regelmäßigen Evaluierung eine Verfehlung der Ziele prognostiziert wird. Erneut fällt die Aufgabe, Maßnahmen zu definieren, der Stadtregierung bzw. Steuerungsgruppe zu. Der Klimarat – Wissenschaft (Advisory Board) kann nur Stellungnahmen dazu abgeben. Wir schlagen vor, die Rolle des Klimarates von der reinen Anhörung zur Mitbestimmung aufzuwerten und die Beurteilung der Maßnahmen einem ständigen, für die gesamte Stadtbevölkerung repräsentativen „Bürger:innenrat für Klimaschutz“ zu übertragen.
“Die Gesellschaft ist für einen Aufbruch in Richtung einer klimafreundlichen Zukunft prinzipiell durchaus bereit und aktivierbar. Dies zeigen die Ergebnisse von Bürger:innenräten. In diesenwird sichtbar, inwieweit bei konkreten Schritten Konsens erzielbar ist.” hält der Klimakommunikationskongress 2024 in Graz fest.
Im von uns vorgeschlagenen einjährigen Evaluationsrhythmus führt somit die Überprüfung der Zielpfade durch den Klimarechnungshof zur Definition von Problemfeldern, für die die Steuerungsgruppe bzw. Stadtregierung und der Klimarat – Wissenschaft (Advisory Board) gemeinsam ein Sofortprogramm erstellen, die dem Bürger:innenrat für Klimaschutz im Konsent-Prinzip einmalig vorgelegt werden muss. Die Steuerungsgruppe bzw. Stadtregierung und der Klimarat – Wissenschaft (Advisory Board) müssen die Maßnahmen anpassen, wenn der Bürger:innenrat schwere Bedenken hat. Dadurch wird sichergestellt, dass zielführende Maßnahmen gesetzt werden, die in der Gesellschaft verankert sind und gemeinsam getragen werden können. Die Wichtigkeit der Klimakrise verlangt diese regelmäßige fundierte Auseinandersetzung.
Auch die Erstellung des Klimafahrplans muss um eine partizipative Komponente erweitert werden, die weitergeht als die ohnehin beinhaltete Kenntnisnahme von Stellungnahmen der Bürger:innen. Daher soll der „Bürger:innenrat-Klimaschutz“ in die Erstellung ebenso auf Entscheidungsebene eingebunden werden wie der Klimarat. Der Beschluss des Klimafahrplans obliegt natürlich weiterhin dem gewählten Gemeinderat als oberster Instanz.
Der „Bürger:innenrat-Klimaschutz“ bekommt darüber hinaus die Möglichkeit, die Steuerungsgruppe einzuberufen. Die Steuerungsgruppe soll vierteljährlich tagen, vom Bürgermeister oder 25 Gemeinderät:innen (analog zur Stadtverfassung) einberufen werden können und vom Bürger:innenrat-Klimaschutz dann einberufen werden können, wenn die vierteljährliche Sitzungseinladung versäumt wurde. Einberufungen und Abberufungen von Klimarät:innen werden nicht nur durch den Bürgermeister durchgeführt, sondern zusätzlich dem „Bürger:innenrat-Klimaschutz“ vorgelegt.
Echte Rechtsmittel für die Bevölkerung
Im vorliegenden Entwurf werden zwar Rechtsschutzmechanismen verankert, allerdings sind diese unzureichend. So beziehen sich diese ausschließlich auf die Fortschreibung des Klimafahrplans, also die Frage, ob die Stadtregierung beim Beginnen des Erstellens der eigenen Ziele säumig ist. Die Wiener:innen können lediglich einen Antrag stellen, wenn die Fortschreibung nicht binnen fünf Jahren begonnen wird. Daraufhin muss der Gemeinderat unverzüglich tätig werden. Allerdings fehlt die Möglichkeit zur Fristsetzung für den Abschluss der Erstellung. Das Recht der Bevölkerung auf zeitgerechten Klimaschutz und Klimawandelanpassung muss aber geschützt werden. Konkret muss die Erreichung der Sektorziele, die im Klimafahrplan verankert werden, von Gerichten geprüft werden können, wenn diese durch unzureichende Maßnahmen der Verwaltung verfehlt werden.
Klimabudget und Klimacheck für alte Planungen
Der Wissensstand zu den Auswirkungen der Klimakrise hat sich in den letzten Jahren laufend verbessert. Es ist bekannt, dass auch bereits geplante Projekte, die noch nicht in Umsetzung sind, eine stark negative Auswirkung auf die Klimabilanz der Stadt Wien haben, beispielsweise der Lobautunnel – sowohl durch den Bau selbst als auch durch die Auswirkungen auf die Emissionen im Verkehrsbereich. Der Klimarechnungshof soll daher die Möglichkeit bekommen, die Auswirkungen von bestehenden Planungen großer Projekte auf das jährliche Klimabudget zu beurteilen.
Laut einem Bericht des Umweltbundesamtes ist klar, dass Wiens Verkehrsziele mit dem Bau des Lobautunnels nicht vereinbar sind. Das Verkehrsministerium (BMK) gab dazu vor zwei Jahren eine strategische Prüfung in Auftrag. Am 27. September lagen dem Standard erste Ergebnisse vor: “Sowohl die verkehrlichen Ziele Wiens als auch die des Bundes können nicht erreicht werden.” Der Bau des Lobautunnels sei also “kontraproduktiv”. Hintergrund ist, dass sich die Stadt Wien im Klimafahrplan das Ziel vorgegeben hat, bis zum Jahr 2030 den Anteil des motorisierten Individualverkehrs auf 15 Prozent zu reduzieren. Aktuell beträgt der Pkw-Anteil immer noch 26 Prozent. (Quelle Standard)
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