Seit 13. September steht der Entwurf für das Wiener Klimagesetz zur Begutachtung und für Stellungnahmen hier online. Es regelt nicht die inhaltliche Ausgestaltung des Kampfes gegen die Klimakrise, denn das macht der Klimafahrplan des Gemeinderats. Im Klimagesetz werden Abläufe und existente Gremien wie der Klimarat, das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 sowie eine Frist festgeschrieben: alle 5 Jahre muss der Klimafahrplan erneuert werden, sonst kann das die Bevölkerung einmahnen. Ist das tatsächlich alles? Und woran dürfen wir teilhaben?
Die Struktur des Klimagesetzes
Wir haben hier jene Elemente und Instrumente dargestellt, die laut Entwurf des Klimagesetzes zusammenspielen sollen, um den Klimafahrplan auf Schiene zu halten. Dabei sparen wir hier die Debatte aus, was im Klimafahrplan steht, stehen sollte oder einfach vertrödelt wird. Auch wenn diese inhaltliche Debatte die weit wichtigere ist, verdient das Klimagesetz unsere Aufmerksamkeit, denn es gibt die Rahmenbedingungen vor, in denen der Klimafahrplan beschlossen und beeinflusst werden kann.
Wie die Darstellung klar zeigt: der Bürgermeister hält diverse Zügel in den Händen, moderne Partizipation fehlt. Es gilt also, einige Stellschrauben Richtung Beteiligung zu drehen. Ebenso ersichtlich sind die drei Bereiche, die der Gesetzesentwurf regeln möchte: Den dreiteiligen, hierarchisch aufgebauten Klimarat, die Top-Down-Einheit der steuernden Stadtregierung rund um den Klimafahrplan, und die drei Instrumente des Magistrats: Klimacheck, Klimabudget und Klima-Allianzen. Die Zivilgesellschaft kommt nur marginal vor. Auffällig ist auch, dass die Ebene der Bezirksvorstehungen nicht erwähnt wird.
Die Macht geht vom Bürgermeister aus
Das mag wenig überraschen angesichts der Realverfassung der Stadt Wien, ist aber im Lichte aktuellen Strebens nach einer Demokratiereform am Beginn des Demokratiejahrs als „European Capital of Democracy“ (dazu hier unser Artikel) kritisch zu sehen. Was darf nur der Bürgermeister im Gesetzesentwurf? Das Ernennen alle Mitglieder der drei Klimaräte obliegt ihm, das Einberufen der Steuerungsgruppe ebenso, und als Vorsitzender der Regierungspartei und damit bestimmender Person der Koalition und deren Mehrheit im Gemeinderat verfügt er über den direktesten Einfluss auf den Klimafahrplan und das Magistrat, das mit rund 30.000 Beschäftigten wiederum die Maßnahmen von Klimafahrplan und Klimagesetz umsetzt. Selbst in der Stadtverfassung kann der Bürgermeister übrigens von 25 Gemeinderät:innen dazu verpflichtet werden, den Gemeinderat einzuberufen. Das ist bei der Steuerungsgruppe Klimaangelegenheiten im jetzigen Gesetzesentwurf nicht vorgesehen, das liegt nur bei Michael Ludwig.
Der dreifache Klimarat
Bürgermeister Michael Ludwig kann ebenso als einziger die Klimaratsmitglieder bestellen. Der Klimarat besteht schon seit 2020 aus diesen drei Räten, das Gesetz nimmt hier keine Neuerungen vor: der Klimarat der Wissenschaft aka „Advisory Board“, das „City Board“ als Klimarat Stadt mit Verwaltung und Gemeinderät:innen der SPÖ und NEOS sowie das „Sounding Board“ des Klimarates Gesellschaft, der aber ebenso Gemeinderät:innen von Grünen, ÖVP und FPÖ und Kammervertreter:innen sowie bis zu vier NGOs beinhaltet.
Nur maximal fünf Personen werden – ebenfalls vom Bürgermeister – aus der unorganisierten Bevölkerung ausgewählt. Das Gesetz bestätigt also nur den bisherigen Status Quo ohne weitere Öffnung zur Bevölkerung. Die Stellungnahmen innerhalb der Klimarat-Dreifaltigkeit sind so geregelt, dass sich City Board und Sounding Board an den Advisory Board richten können, der wiederum Stellungnahmen an die Steuerungsgruppe des Bürgermeisters sowie zu Klimafahrplan und Sofortprogramm abgeben kann.
Und wenn der Hut brennt?
Der Terminus „Sofortprogramm“ legt bereits nahe, dass es sich um kurzfristige Interventionen handelt, wenn die Zeit drängt. Allerdings sind keine Fristen festgelegt, die den Rhythmus der Evaluierungen regeln, auf deren Basis die Steuerungsgruppe Klimaangelegenheiten dann Sofortmaßnahmen in Auftrag geben könnte.
Diese Evaluierungen wären von der Koordinierungsstelle Klimaangelegenheiten durchzuführen bzw. zu beauftragen, und zwar laut Gesetzesentwurf „regelmäßig“. Es fehlen zeitliche Vorgaben sowie die Möglichkeit, solche Evaluationen oder daraus resultierende Sofortmaßnahmen einzufordern oder sie zu beeinflussen. Nur der Klimarat Wissenschaft hat die Möglichkeit, dazu Inputs zu liefern. Angesichts der ganz offensichtlich verfehlten Ziele von Stadtentwicklungsplänen oder Smart City Strategie sind Vorgaben zu Evaluierungen und daraus resultierenden Maßnahmen unbedingt nötig.
Alle fünf Jahre wieder
Der Klimafahrplan stammt aus dem Jahr 2022. Er bezieht seine Ziele vor allem aus der erwähnten Smart City Strategie und kombiniert diese mit Zielpfaden und konkreten Hebeln, die von der Stadtregierung genutzt werden könnten.
Eine komplexe Ansammlung von Tätigkeitsfeldern wurde darin gefällig und verständlich aufbereitet, um am 24.2.2022 vom Gemeinderat beschlossen zu werden. Der Entwurf zum Klimagesetz schreibt nun vor, dass dieser Klimafahrplan nach fünf Jahren zu erneuern ist. Ende Februar 2027 müsste dadurch allerdings nicht ein neuer Klimafahrplan vorliegen, es müsste nur die Erarbeitung loslegen. Falls dies versäumt würde, dürfte jede „natürliche Person mit Wohnsitz in Wien“ diese Fortschreibung beim Magistrat einmahnen, daraufhin „hat der Gemeinderat unverzüglich mit der Fortschreibung zu beginnen.“ Es ist dabei aber nicht geregelt, wie lange diese Fortschreibung bis zum Beschluss dauern dürfe.
Bezüglich des Instruments der Klimachecks ist essentiell, dass diese im Gesetzesentwurf nur für Bauvorhaben vorgesehen sind, wenn die Planung noch nicht begonnen hat. Damit betreffen sie z.B. den Lobautunnel nicht, an dem die SPÖ Stadtregierung ausdrücklich festhält.
Wie siehts mit Beteiligung aus?
Öffentliche Beteiligung ist im gesamten Gesetz nur bei der Erstellung des Klimafahrplans vorgesehen. „Dabei ist darauf zu achten, dass die Möglichkeit zur Beteiligung, insbesondere die Bekanntmachung, die Einsichtnahme sowie auch die Möglichkeit zur Stellungnahme sowohl digital als auch in analoger Form möglich ist.“ Damit ist die Partizipationsstufe der Anhörung erreicht, von den nächsten Stufen der Einbeziehung oder Mitbestimmung ist das Gesetz noch weit entfernt. Kompetenzen oder Entscheidungsmacht werden weder an die Bevölkerung noch an den Klimarat abgetreten.
Stufenmodell der Partizipation KDZ Wright/Block/Unger
Wenn ihr Vorschläge habt, wie das Klimagesetz verbessert werden kann, dann könnt ihr eure Stellungnahme bis 11. Oktober 2024 hier beim Magistrat abgeben und dem WirMachenWien Team gerne eure Ideen dazu an info@wirmachen.wien schreiben. Wir werden ebenfalls an einer Stellungnahme feilen!
Den Gesetzesentwurf könnt ihr hier downloaden. Er nimmt auch Bezug auf diese Bereiche als besonders klimarelevant: Abfall- und Kreislaufwirtschaft; Energieversorgung; Raumordnung; Bau, Sanierung und Betrieb von Gebäuden; Rohstoffeinsatz und Güterproduktion; Inanspruchnahme von Boden, Natur oder Landschaft; Land- und Forstwirtschaft; Mobilität; Wasserver- und Abwasserentsorgung, Wasserressourcen und Gewässer. Weiters findet ihr darin Hinweise zu Klimachecks, Klimaallianz und Klimabudget.
Grafiken: WirMachenWien, Stadt Wien, KDZ