Von der Reschgasse zum Reschgarten

Der erfolgreiche Einsatz der Initiative MeiMeidling führte im Jahr 2024 zur Umgestaltung und Begrünung einer Wohnstraße. Wir erklären die Hintergründe und zeigen, mit welchen Mitteln ihr Ziel erreicht werden konnte: der richtige Moment, gut aufbereitete Vorschläge, lösungsorientiertes Networking, viel Hartnäckigkeit. Mit Beispielen zum download!

Die beparkte und befahrene Wohnstraße

Die Reschgasse in Meidling war schon lange als Wohnstraße gewidmet. Sie führte als Einbahnstraße in Richtung Rosaliagasse. Gleich nebendran befindet sich der Meidlinger Markt mit einer regen Gastronomieszene und Fußgänger:innenverkehr. Die Reschgasse war ein Geheimtipp für Schleichweg-Spezialist:innen und wird vor allem als Durchfahrtsstraße und Parkplatz genutzt. Kenner der Straßenverkehrsordnung wissen, eine Wohnstraße darf nur zur Zu- und Abfahrt genutzt werden.

Ein Kran beruhigt die Straße

Aufgrund der Baustelle an der Ecke Reschgasse / Mandlgasse war die Durchfahrt im gesamten Jahr 2021 gesperrt. Ein Baukran war auf der Fahrbahn aufgebaut. Der Weg von der Mandlgasse zum Meidlinger Markt war in diesem Zeitraum nur fußläufig durch ein schmales Nadelöhr möglich. Während der einjährigen Sperre standen auf dieser Fläche auch keine Parkplätze zur Verfügung. Nach einer kurzen Umstellungsphase kannten sämtliche motorisierte Nutzer: innen dieses Szenario und steuerten diese kleine Gasse auch nicht mehr an. Auch Anrainer:innen mit PKW und entsprechendem Parkplatzbedarf fanden die beruhigte Reschgasse zunehmend angenehm – der Wunsch nach einer dauerhaften Lösung wuchs. 

Die Initiative Mei Meidling

Das rief den Verein MEI MEIDLING auf den Plan, der während der Pandemie-Zeiten von der Architektin Sigrid Meyer gegründet wurde. Nach Gesprächen mit Expert:innen wurde klar, dass die Umsetzung einer dauerhaften Lösung ohne gravierende Hindernisse möglich wäre. Darüber hinaus zeigten unterschiedliche Beteiligungsformate im Jahr 2021 klar und deutlich den Wunsch der Anrainer:innen nach umfassender Veränderung. Aus diesem Grund entschloss sich die Bürger:inneninitiative aus Expert:innen und Anrainer:innen einen weiteren Vorschlag für das Grätzl auszuarbeiten und betreffend Umsetzung an die Bezirksvorstehung heranzutreten.

©Mei Meidling: Download des gesamten Handout-PDF zum Reschgarten hier

Während der Organisation ihres Klima-Grätzl-Fests 2021 konnte die Initiative MeiMeidling die verkehrsberuhigte Straße bereits temporär nutzen. Als die Pflanzen aus der Gartenbauschule Schönbrunn dort zwischen-gelagert wurden, kam ihnen die zündende Idee! Was wäre, wenn… die Reschgasse dauerhaft zum “Reschgarten” verwandelt würde?

Reschgasse mit und ohne Bepflanzung ©Mei Meidling: Download des gesamten Handout-PDF zum Reschgarten hier

Das Konzept Reschgarten

Nach kurzer Recherche stand fest, dass es kaum Hindernisse gab, diese Idee umzusetzen. Eine einzige Gasleitung liegt unter der Fahrbahn, ansonsten ist der Straßenraum frei bespielbar. Daraufhin haben die Architekt:innen und Begründer:innen der Initiative MeiMeidling  Sigrid Mayer und Helmut Telefont begonnen zu zeichnen und zu  visualisieren, um auch anderen aus dem Grätzl die Idee vorzustellen. Die Begeisterung war groß!

Bäume, Staudenbeete, Bankerl, eine Pergola, entsiegelte Flächen, eine flächige Pflasterung, die Verschwenkung eines befahrbaren Mittelstreifens und eine kleine Wasserfläche … alles könnte hier problemlos Platz finden.

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Die Initiativen-Mitglieder sahen sich zahlreiche andere Gassen in Wien an und stellten fest, dass es schon viele praktische Stadtmöbel gibt, die auch gut nach Meidling passen würden.

Sie testeten die neuen Pergolen mit Sitzschaukeln in der Zollergasse, die im Sommer mit Kletterpflanzen versehen sind. Ein Beispiel für die Entsiegelung der Bodenfläche und die Versickerung des Regenwassers fanden sie im Esterhazy Park, neben dem Haus des Meeres. Eine andere Inspiration waren die Baumpflanzungen nach dem Schwammstadt-Prinzip in der Zollergasse, bei dem das Regenwasser vor Ort versickert und gesammelt wird. Ein smartes All-in-one Systhem entdeckten sie in den BeRTA Modulen in der Rotenturmstraße. 

Der Entwurf zum Reschgarten ©Mei Meidling: Download des gesamten Handout-PDF zum Reschgarten hier

Eine besonders gelungene Art Grüninseln zu schaffen fanden sie die Bepflanzung mit Gräsern. Sie verändern das Straßenbild je nach Jahreszeit. Im Frühjahr werden sie frisch geschnitten und sind daher ganz niedrig. Innerhalb kürzester Zeit erreichen sie ihre volle Wuchshöhe und schaffen durch ihr sattes Grün gemütliche Zwischenräume, die kleine feine Rückzugsflächen ergeben. Vielleicht stehen dort sogar ein paar Liegestühle. Im Winter werden bräunlich und der Kreislauf beginnt wieder von vorne.

All diese Elemente visualisierten sie innerhalb ihres Reschgartens und zeigen:  Begrünung im öffentlichen Raum kann ganz einfach sein, es müssen nicht immer große Bäume sein.

Doch auch Baumpflanzungen sollten in der Reschgasse kein Problem sein, denn der Zentrale Leitungskataster der Stadt Wien hat uns gezeigt, dass es unter der Erde nur eine einzige Gasleitung gibt.

Der große Vorteil des neuen Reschgartens ist außerdem, dass alle Einsatzfahrzeuge, wie Rettung oder Feuerwehr, ausreichend Platz haben, um direkt zu den Hauseingängen zuzufahren, ohne sich zwischen parkenden Autos durchzwängen zu müssen und wertvolle Zeit zu verlieren. Auch die Garagenbesitzer:innen haben die Möglichkeit im Schritttempo zu Ihren Stellplätzen zu fahren. Die Anreiner:innen zeigten sich begeistert von dieser Vision. 

Zielsetzung und Mehrwert

Gleichzeitig steigert der Reschgarten die Aufenthaltsqualität des Ortes enorm. Als Ergänzung zum Angebot auf dem Markt werden konsumfreie Bereiche geschaffen mit den bereits eingesetzten Gestaltungselementen und Stadtmöbeln. Auch für Fahrradfahrer bietet die Umgestaltung neue, überdachte Abstellanlagen. 

Grafik: ©MeiMeidling – Download des gesamten Handout-PDF zum Reschgarten hier

Schließlich bietet das Projekt die Chance, in einem kurzfristig realisierbaren Schritt die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums im Grätzl zu steigern. Die positiven Erfahrungen aus der einjährigen Sperre der Straße werden dabei genutzt und die Wünsche der Anrainer:innen aus Partizipations Veranstaltungen und dem Klima-Grätzl Fest. 

Gespräche mit dem Bezirksvorsteher

Da die Begeisterung bei so vielen im Grätzl groß war, hat sich die Initiative Anfang 2021 entschlossen, diese Idee auch dem Meidlinger Bezirksvorsteher, Herrn Wilfried Zankl (SPÖ), zu zeigen. Auch er konnte der Ideen viel abgewinnen. Die Spannung bei der Initiative war groß, ob er die Initiative aufgreift und die zuständigen Magistratischen Dienststellen mit einer Prüfung und konkreten Planung beauftragen würde.

Die Bürger:innenbeteiligung

Davor wurde eine Bürger:innen-Beteiligung durchgeführt, mit möglichst vielen Anrainer:innen, die unmittelbar im angrenzenden Grätzl leben und dort gemeldet sind.

Laut Bezirksvorstehung haben ca. 1.900 Personen schriftliche Einladungen zu den drei Veranstaltungen in der Volkshochschule Längenfeldgasse erhalten. Im Oktober 2021, April und November 2022 fanden Partizipationsveranstaltungen statt.

Vorträge von Fachabteilungen wurden gehalten, Ideen gesammelt, Problemstellen aufgezeigt und mögliche Verbesserungen diskutiert. Wir haben Punkte geklebt, Notizen gemacht, Anregungen gegeben. Als direkte Bewohner:innen des Grätzls kennen die Vereinsmitglieder die kritischen Punkte wirklich gut. Wo ist es im Sommer extrem heiß, wo echt gefährlich, wie könnte der Markt barrierefrei angebunden werden? Und vieles mehr.

Foto: ©Bezirksvorstehung

Der Erfolg

Im November 2022 kam dann die große Einladung. Auf der zweiten Seite des Schreibens war nämlich bereits der konkrete Plan der bevorstehenden Umgestaltung zu sehen.

Der Bereich der Reschgasse zwischen dem Meidlinger Markt und der Mandlgasse wird 2024 umgebaut und zu einer Fußgänger:innenzone! Die Planer:innen der MA 28 haben sich die Ideen sehr genau angesehen und sogar noch weiterentwickelt.

Foto: ©Bezirksvorstehung

Die Planung und Umgestaltung

Baustelle Reschgasse

Foto: ©MeiMeidling: Download des gesamten Handout-PDF zum Reschgarten hier

Die geplante Umgestaltung konnte mit den Experten der MA 28 (Straßenbau) und MA 42 (Stadtgärten) ausgiebig besprochen und noch wichtige Details ergänzt werden.

In die Reschgasse kommen vier Bäume, zahlreiche Staudenbeete, Sitzmöglichkeiten und die Fahrbahn wird verschwenkt. Auch die Mandlgasse wird aufgewertet. Auch hier wird die Fahrbahn verschwenkt, damit die Schleichweg-Raser endlich mit diesem gefährlichen “Spiel” aufhören und sich die Kinder wieder sicher bewegen können.

Die Beete der Grätzeloase, die bereits aus den Biodiversitätsspaziergängen des Vereins bekannt sind werden bleiben – werden zwar verlegt aber vergrößert. Die von Anrainer:innen gepflegten und mittlerweile heimisch gewordenen Pflanzen und Insekten dürfen dorthin übersiedeln. Die Fahrbahnanhebungen in den Kreuzungsbereichen Rosaliagasse und Mandlgasse ermöglichen dann auch den barrierefreien Zugang zum Meidlinger Markt.

Im Grätzl entstand so etwas wie eine neue Nachbar:innenschaft, der Garten soll ein Ort der Begegnung werden. Der Verein wünscht sich allerdings weiterhin Tische und Bänke statt trennender abgewandter Einzelstühle wie auf der Meidlinger Hauptstraße.

Nach drei Jahren der Planung kam es dann im September 2024 zum symbolischen Spatenstich. Immerhin drei Jahre brauchte es, um diese Änderungen zu planen und durchzuführen. Das Ergebnis kann sich aber sehen lassen. 

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Foto: ©MeiMeidling

Die Umgestaltung des “Reschgartens”, also des Bereichs der Reschgasse, Mandlgasse und Meidlinger Markt wurde im Frühsommer 2024 gestartet. Die Fertigstellung ist noch für 2024 vorgesehen, wegen des Wetters könnte es sein, dass die Bäume erst im Frühjahr gepflanzt werden.

Sigrid Mayer vom Verein "Mei Meidling" freut sich über die Verbesserungen im künftigen Reschgarten. | Foto: Moritz Mayer/Mei Meidling
Sigrid Mayer – Initiatorin von MeiMeidling, Foto: ©MeiMeidling

Quellen
Das Handout der Initiative als Vorbild hier downloaden. Gut aufbereitete Lösungsvorschläge können deinem Anliegen viel helfen!

https://www.meimeidling.wien

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