How To: Pressearbeit

Jede Initiative braucht öffentliche Wahrnehmung, um ihre Ziele bekannt zu machen. Mit öffentlicher Präsenz werden Befürworter:innen erreicht und eine publizistische Bühne betreten, auf der politische Ansprechpartner:innen den Anliegen nicht mehr so einfach ausweichen können. Manche Gruppen nutzen eine andere Methode und tragen ihre Ansinnen über reines Lobbying im Verborgenen an die Entscheider:innen heran – eine Methode, die uns hier auf WirMachenWien nicht entspricht. Was wir alle hier aber gerne nutzen, sind Social Media. Darum soll es in diesem Tutorial aber nicht vorrangig gehen, die Tipps dazu sind komplex und zahlreich. (Beispiel auf Youtube) Wir widmen uns in diesem Text klassischer Pressearbeit, also Publikationen in Print- oder Onlinemedien sowie TV und Radio. Ein Video zum Thema findest du auf unserem Youtube Kanal.

Was ist Pressearbeit?

Pressearbeit ist eines nicht: PR im Sinne von Werbung. Journalist:innen veröffentlichen deine Anliegen nicht, weil sie für dich wichtig sind, und sie sind keine Verkündigungserfüller:innen im Sinne von Public Relations. Dein Anliegen muss verständlichen Sinn für ein Medium und deren Rezipient:innen machen. Dieser Sinn wird oft anhand der Nachrichtenwert-Theorie abgewogen, dazu unten mehr. Es hilft manchmal, wenn Journalist:innen deine Anliegen einer klimagerechten Stadt teilen, das sollte aber deren Berichte nicht beeinflussen. Ebenso hilft es manchmal, wenn das Thema eurer Initiative im entsprechenden Medium und von den Redakteur:innen kontroversiell gesehen wird. Denn dann “mögen” sie euch zwar nicht, aber den Radau, der dem Bericht folgt, oder wenn darin politisch Andersdenkende kritisiert werden. Nicht alle Beweggründe im Journalismus folgen den ethischen Grundsätzen (Siehe Presserat) und auch das könnt ihr nutzen. 

Medienarbeit meint die Zusammenarbeit mit der Presse, also redaktionellen Vertreteter:innen von Medien. In der Fachsprache wird Pressearbeit auch als „Earned Media“ bezeichnet – Beiträge in den Medien müssen also auf eine gewisse Art verdient werden, erarbeitet werden. Sie werden nicht gekauft wie Werbung (auch wenn wir die Ausnahmen dieser Regel kennen) und man kann sie nicht einfach selbst veröffentlichen, wie auf eigenen Websites, Pressaussendungen oder Social Media. Pressearbeit bedeutet also, Journalist:innen gute Themen passend zu ihren Medien vorzuschlagen und sie gut aufzubereiten. Gut meint: faktisch richtig, interessant beschrieben, mit aktuellem Anlass und einem besonderen Etwas. 

Der Nachrichtenwert

Unter dem Begriff Nachrichtenwert werden in der Publizistik Kriterien diskutiert, die verallgemeinern sollen, warum etwas für berichtenswert gehalten wird – so schreibt Wikipedia. Die Theorie hat bereits gut 100 Jahre auf dem Buckel, aber in aktualisierter Version durchaus noch Berechtigung. Kurz beschrieben sind es Faktoren wie zeitliche Aktualität, räumliche, politische oder kulturelle Nähe, Relevanz, Emotionalität, Grad der persönlichen Betroffenheit und existenzieller Bedeutung, Überraschung und Dramatik, die es für ein Medium interessant machen, über etwas zu berichten. Der Kontext des Mediums ist dafür zentral: genauso wie sich der Nachrichtenwert für eine Sportzeitung vom Modeheft stark unterscheidet, ist auch für Falter oder Profil der Nachrichtenwert deiner Story unterschiedlich, und der Platz im Heft dafür ungleich groß.

Damit sind wir bei den konkreten Medien in unserem Betätigungsfeld, also Regionalpolitik in Wien. Du solltest dir einen Überblick über die aktuellen Medien machen, die in Wien über ähnliche Themen wie deines berichten. Und dann die konkreten Journalist:innen herausfinden, die aktuell zu deinem Thema schreiben oder in den passenden Ressorts (Lokales, Politik, Klima) arbeiten. Diesen Journalist:innen lässt du Informationen zukommen, indem du Presseaussendungen direkt an sie sendest, sie zusätzlich anrufst oder sie auch zusätzlich auf Social Media taggst. Besonders X (Twitter) ist dafür gut geeignet. Der Aufbau einer Vertrauensbeziehung zu Journalist:innen ist essentiell – das bedeutet aber nicht die vielgerühmte Verhaberung, sondern dass man sich gegenseitig kennt und auf Informationen verlassen kann.

In Redaktionssitzungen entscheiden Medien, welche Geschichten ins Blatt oder on air kommen. Hier die Standard-Redaktion in ihrem “Aquarium” (Bild Matthias Cremer, Link )

Kontakte sind Key

Damit du aber nicht alle Kontakte selber suchen musst, haben die WirMachenWien-Initiativen hier die JournaListe zusammengestellt, in der du Kontakte zu den gängigsten Medien für Wien findest. Aber Achtung, auch Journalist:innen wechseln ihre Arbeitgeber:innen oder das Ressort, kein Anspruch auf Aktualität – besser selber mit Recherchen in den Online-Ausgaben von Medien überprüfen. Änderungen gerne an uns via info@wirmachen.wien senden.

Nähe, Aktualität und Relevanz sollten für dein Anliegen schon gegeben sein, wenn es in Wien aktuelle Bedeutung hat. Wenn auch keine überregionale für Standard oder Presse, dann jedenfalls regionale in der Bezirkszeitung. In der man übrigens als Regionaut:in auf MeinBezirk.at die Grenzen zum Journalismus überschreiten kann und selbst publizieren (Info hier

Bilder und Konflikte

Um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, helfen prägnante Bilder und starke Konflikte, um Emotion und Interesse zu wecken oder dein Anliegen zu verdeutlichen. 

Wie zeigt man einen Verkehrsunfall, bei dem ein:e Fußgänger:in durch eine:n Autofahrer:in getötet wurde? Die Initiative Geht.doch Wien stellt am Ort des Geschehens zeitnah sogenannte “Schuhe der Erinnerung” auf, Bilder davon fanden sogar auf das Titelblatt der Kronen Zeitung. (Foto: Geht.doch Wien)
Wie zeigt man, dass ein Radweg fehlt? Die Initiative PlatzFürWien bildete im Jahr 2020 eine Menschenkette in der Triester Straße, um eine Spur für Radfahrer:innen abzugrenzen. Dabei wurden noch andere Tools für Öffentlichkeitsarbeit angewandt, die aus dem Markenbranding kommen: Wiedererkennbare Utensilien (Luftballons) in den Farben der Initiative, T-Shirts mit Logo und Bauhelme als Markenkennzeichen. (Foto: Peter Provaznik)

Um Konflikte zu verdeutlichen, ist es ratsam, agierende bekannte Personen zu benennen und damit als Widerparts in das Narrativ deines Anliegens einzuflechten. Wenn Bürgermeister Michael Ludwig in der Zeit im Bild von Armin Wolf im Wiener Wahlkampf gefragt wird, wie viele Parkplätze der Umsetzung seines Wahlprogramms weichen müssen, in dem er die Radwege-Forderungen von PlatzFürWien übernommen hatte, dann bekommt ein Konflikt deswegen persönliche Präsenz, weil die Kontakte zu Journalist:innen es ermöglicht haben, eine Information mit Nachrichtenwert weiterzugeben. Alle oben erwähnten Mittel angewandt? Check!

Checklist

  • Anliegen mit Fakten
  • Informativ aufbereitet
  • Regionalen Bezug und zeitliche Aktualität
  • Konflikt mit Person belegt
  • Passendes Medium und Anlass eruiert
  • Kontakte zu Journalist:innen eingesetzt
  • Erfolgreich platziert

Aber auch wenn die ersten sechs der sieben Punkte bestmöglich erfüllt wurden, ist Medienpräsenz nie garantiert. Nicht enttäuscht sein!

Presseaussendung, Pressekonferenzen und Aktionen

Presseaussendungen folgen einem bestimmten Muster, um Information attraktiv und verständlich aufzubereiten. Ganz wichtig dabei: eine Presseaussendung ist kein Pamphlet, das deine Meinungen und Forderungen aktivistisch pointiert in der Wir-Form den Lesenden entgegenschmettert. Eine Presseaussendung bringt Anliegen, Konflikt und beteiligte Akteur:innen korrekt zur Kenntnis und kann Meinungen in Zitaten enthalten. Diese Zitate werden gerne von Zeitungen verwendet – und je besser die Presseaussendung, desto eher lädt sie zu zeitsparendem Copy-Paste in der Redaktion ein. Das ist in Zeiten der schrumpfenden Redaktionen ein wichtiger Erfolgsfaktor. 

KISS-Regel: Keep it short and simple! Eine Seite ist gut, zwei Seiten das Maximum

Subject: Dieses sollte mit dem Wort “Pressemitteilung” beginnnen und die Headline kurz wiedergeben. Bei Ankündigungen von Pressekonferenzen oder Aktionen beginnt das Subject mit “Aviso”.

Headline: Diese soll das Anliegen, die Initiative und einen Teaser kurz und verständlich verbinden. Je weniger Kreativität desto besser, je mehr Informationsgehalt desto mehr Lesende.

Subheadline: Nach der Headline kann ein Zweizeiler mehr Information bieten, die Journalist:innen darin bestärkt, euer Anliegen weiterzulsesen.

Lead-Text: Diese Zusammenfassung könnte auch als kleine Kurzmeldung abgedruckt werden. In drei bis fünf Zeilen könnt ihr schon alle sieben sogenannten W-Fragen beantworten. 

Wer? / Was? / Wann? / Wo? / Warum? / Wie? / Wozu?

Haupttext: Hier gehst du auf die Thematik der Presseaussendung umfassend ein, alle Ausführungen, Fakten, Argumente und Zitate sollten untergebracht werden. Dabei solltest du dich nicht nur aus Lesbarkeitsgründen kurz fassen, sondern auch falls du kostenpflichtige Versandplattformen wie das OTS Service der APA verwendest. Hintergrundinfos über deine Initiative sind immer wichtig, um eure Bedeutung einschätzen zu können oder Recherchen zu ersparen. 

Framing: Bei eurem Text – und generell der Argumentation eures Anliegens – ist es zu empfehlen, bewusst einen inhaltlichen Rahmen zu setzen. Framing bedeutet “einige Aspekte einer wahrgenommenen Realität auszuwählen und sie in einem Text so hervorzuheben, dass eine bestimmte Problemdefinition, kausale Interpretation, moralische Bewertung oder Handlungsempfehlung gefördert wird.” (Wikipedia ). Vereinfacht gesagt: beginnt euren Text mit den grundlegenden Werten, in deren Licht ihr euer Anliegen gelesen haben wollt. Also z.B. das Framing “Klimakrise” oder “Lebensqualität” gezielt einsetzen. (Analyse des Framings von FridaysForFuture)

Kontaktdaten: Am Ende des Textes folgt der sogenannte Rückfrage-Hinweis mit Kontakt zu der Person, die in eurer Initiative für Presseanfragen zuständig ist. Mit Telefonnummer!

Fotos: An die Pressemitteilung könnt ihr Fotos anhängen. Diese müssen druckfähig und von hoher Qualität sein, um verwendet zu werden. Die Abgebildeten müssen mit der Veröffentlichung einverstanden sein (außer es sind Fotos von Massenevents wie Demonstrationen oder Straßenszenen) und das Foto sollte nichts zeigen, das eurem Anliegen schaden könnte. Nennt den Credit der Fotograf:in (die euch das Recht zur Veröffentlichung zugestanden hat), sonst wird das Foto nicht verwendet. Viele Medien verwenden aber ohnehin keine zugesandten Fotos sondern nur jene von eigenen Fotograf:innen, die sie zu Anlässen schicken.

Pressekonferenzen und Aktionen: Diese sind gute Anlässe für Presseaussendungen, und umgekehrt ist eine Aktion, die auf Medienwirksamkeit abzielt und darauf zugeschnitten ist, ein gutes Mittel um die Presse zu erreichen. Pressekonferenzen bedeuten allerdings einen größeren Aufwand und müssen großen Informationswert oder Promi-Faktor haben, um wahrgenommen zu werden. Bei Aktionen lassen sich auch Bilder inszenieren, die guten Content ergeben. Dennoch sollte die Aktion inhaltliche Substanz haben, die über reine Inszenierung hinausgeht, und den Rahmen wahren. Ein Die-In (Link ) ist eindrucksvoll, aber nicht immer passend oder achtsam gegenüber den tatsächlichen Opfern. Wenn das Anliegen bedrohlich genug und passend ist, why not!

Die-In in Berlin 2021 von Extinction Rebellion (Foto: Stefan Müller)

Hier findet ihr eine Presseaussendung von PlatzFürWien mit Bildern als Anregung und die ganze Pressemappe von PlatzFürWien bei OTS.

Kurzweilige Tipps zur Pressearbeit für Aktivist:innen hat z.B. Kreativismus.org.

Danke an Helge Fahrnberger, kobuk.at, für Anregungen im WirMachenWien Hinterzimmer!

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