Du hast ein konkretes Anliegen in der Stadt und möchtest mit einer Aktion darauf aufmerksam machen? Du möchtest für ein bestimmtes Thema auf die Straße gehen, bist aber mit den rechtlichen Grundlagen überfordert? In diesem Beitrag erfährst du alles, was du wissen musst! Auf unserem Youtube-Kanal findest du ein Kurzvideo zum Thema.
Die Versammlung ist dein Grundrecht
Wenn man es noch nie gemacht hat, wirkt es vielleicht einschüchternd: Wie formuliere ich eine Demo-Anmeldung richtig? Wie verhalte ich mich bei einer behördlichen Vorbesprechung? Wie trete ich während einer Aktion der Polizei gegenüber?
Was du bei all dem wissen musst: Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist dein Grundrecht!
In der Europäischen Menschenrechtskonvention steht folgendes:
Artikel 11 Europäische Menschenrechtskonvention:
- Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen […]
- Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die […] im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. […]
In Österreich ist alles, was du zum Versammlungsrecht wissen musst, im “Versammlungsgesetz 1953” geregelt. (2) Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich im Verfassungsrang. Die Polizei ist also in erster Linie dazu verpflichtet, auf dich zuzukommen und dir die Ausübung deines Rechtes auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten.
Demonstration – Was und Warum?
Laut Verfassungsgerichtshof gilt als politische Versammlung eine Zusammenkunft mehrerer Menschen mit dem Ziel eines gemeinsamen politischen Wirkens.(3) In Österreich werden dabei als Personen-Untergrenze mindestens drei Teilnehmer:innen gehandhabt.
Wenn du deinen Protest sichtbar machen, mediale Bilder schaffen oder deinen Unterstützer:innen die Möglichkeit geben willst, gemeinsam auf der Straße für ein Anliegen aufzutreten, sind Demos ein besonders gutes Mittel. Auch Infostände solltest du am besten als politische Versammlung anmelden. Denn das ist um einiges unkomplizierter als die Anmeldung nach dem Veranstaltungsgesetz. Du hast nur eine Ansprechperson – die Landespolizeidirektion – , weniger bürokratischen Aufwand, musst dafür auf jeden Fall nichts zahlen und stehst außerdem im Schutz der Verfassung.
Vor der Anmeldung – Was brauche ich für eine Demo?
Bevor du eine Demo bei der Polizei anmeldest, solltest du einiges bereits überlegt und festgelegt haben: Will ich eine Standkundgebung oder einen Demozug machen? An welchem Ort soll meine Standkundgebung stattfinden? Wie verläuft meine Demoroute? Sollen dafür Fahrspuren gesperrt werden? Wie viele Menschen glaube ich, erreichen zu können? Wann beginnt und endet meine Kundgebung? Muss ich extra Zeit für den Auf- und Abbau von Infoständen, Bühnen oder Kunstaktionen einplanen? Was für Equipment brauche ich?
Zwei wichtige Punkte sind auch: Wer sorgt für Ordnung auf meiner Demo? Und wer gilt als Demo-Leiter:in? Laut dem Versammlungsgesetz bist du nämlich dazu verpflichtet, dich um Ordnung und Sicherheit auf der Demo zu kümmern. (4) Dafür bestimmst du am besten im Vorhinein einige Ordner:innen, die dann auf der Demo als solche gekennzeichnet sind. Ihre Aufgaben sind zum Beispiel: Fragen beantworten, den Demozug in die richtige Richtung lenken, aufpassen, dass niemand zu nahe an einen Demowagen gerät, oder Menschen darauf hinweisen, die sich nicht an die Versammlungsregeln halten. Wichtig zu wissen ist hierbei aber, dass sich Ordner:innen im Zweifelsfall auch Hilfe bei der Polizei suchen können. Denn die ist dazu da, eure Versammlung zu schützen. Sie kann also bei Konflikten auch einschreiten und Personen, die eure Versammlung stören, vom Kundgebungsort verweisen.
Die Versammlungsleitung legt ihr entweder schon im Vorhinein fest oder ihr gebt sie der Polizei vor Ort bekannt. Sie ist zuständig für die Kommunikation mit den Polizist:innen, kennt den genauen Ablauf der Demo und beendet, wenn ihr fertig seid, auch öffentlich die Kundgebung. Voraussetzung ist dabei, dass die Person mindestens 18 Jahre und EU-Bürger:in ist. (5)
Generell ist das Versammlungsrecht, wie oben beschrieben zwar ein Grundrecht für alle Menschen unabhängig der Nationalität, das besagt auch das Staatsgrundgesetz (Artikel 12). Das österreichische Versammlungsgesetz beruft sich jedoch in Paragraf 8 auf die österreichische Staatsbürgerschaft: “Ausländer dürfen weder als Veranstalter noch als Ordner oder Leiter einer Versammlung zur Verhandlung öffentlicher Angelegenheiten auftreten.” (5) Eine Ausnahme gibt es allerdings: Die Homepage der Landespolizeidirektion Wien gibt an, dass die Einschränkung nicht für EU-Bürger:innen gilt. Basierend auf der Menschenrechtskonvention wird das in der Praxis auch so umgesetzt. (6) (7)
Behördliche Anmeldung – wie geht das?
Am besten formulierst du deine Anmeldung in einem Word-Dokument, speicherst sie anschließend als PDF und schickst sie per Mail an die zuständige Behörde – das ist die Landespolizeidirektion Wien. (8) Laut Versammlungsgesetz musst du deine “Versammlungs-Anzeige” mindestens 48 Stunden vor Versammlungsbeginn abschicken. (9) Wenn du für deine Kundgebung Verkehrsflächen zu “verkehrsfremden Zwecken” benutzt, kann laut Straßenverkehrsordnung eine Anmeldung auch schon 3 Tage vorher notwendig sein. (10)
Laut Versammlungsgesetz musst du in deiner Demo-Anmeldung zumindest Zweck, Ort und Zeit angeben. (12) Wie du dabei am besten vorgehst?
- Den Zweck kannst du in einem kurzen Satz oder in Stichpunkten beschreiben.
- Alle Orte, also Plätze, Straßenzüge etc., die du für deine Kundgebung beanspruchen willst, musst du möglichst genau angeben. Am besten nennst du dafür schriftlich Adresse und Postleitzahl und zeichnest den genauen Standort außerdem in einer Karte oder einem Luftbild ein. Darüber hinaus solltest du eventuell benötigte Fahrzeuge, Demowägen oder Bühnen in der Karte einzeichnen.
- Auch den zeitlichen Verlauf deiner Kundgebung solltest du möglichst genau angeben. Wenn du eine Demoroute geplant hast, solltest du Start- und Endzeit von Anfangs-, End- und Zwischenkundgebungen anführen. Für die Gehdauer deines Demozugs kannst du als Richtwert die Zeitangabe auf Google Maps mal zwei nehmen.
- Außerdem solltest du alles, was du an Hilfsmitteln für deine Demo brauchst, in der Anmeldung auflisten, damit sich die Polizei ein Bild machen kann. Dazu zählen Demowägen, Bühnen, Banner, Schilder, Kreiden, Megaphone, Tische und Stühle für Infostände, Fahrräder für Radkundgebungen etc.
- Bei der Personenanzahl reicht es, einen Richtwert anzugeben, der nicht genau mit der schlussendlichen Teilnehmer:innenzahl übereinstimmen muss. Für die angegebene Personenzahl sind oft auch strategische Überlegungen wichtig. Wenn du zu wenige Menschen nennst, kann es sein, dass die Polizei dir das Gehen auf der Fahrbahn oder auf bestimmten großen Straßen (z.B. Ring) nicht erlaubt. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass du bestimmte Orte nicht bekommst, wenn du zu viele Menschen nennst, weil die Polizei dann davon ausgeht, dass deine Veranstaltung den Rahmen des entsprechenden Platzes oder der Straße sprengt.
- Wenn die Person für die Veranstaltungsleitung bereits feststeht, kannst du auch dies bereits angeben. Es ist aber auch in Ordnung, das erst vor Ort auf der Demo zu verkünden. Nur dass du die Demo angemeldet hast, heißt auf jeden Fall nicht, dass du auch die Versammlungsleitung übernehmen musst.
Einen ausführlichen Download-Leitfaden zum Ausfüllen findest du weiter unten.
Demo-Anmeldung erledigt – und jetzt?
Häufig passiert danach gar nichts. Wenn sich die Polizei bei dir nicht zurückmeldet, kannst du davon ausgehen, dass an deiner Anmeldung alles gepasst hat und deine Kundgebung wie geplant stattfinden kann. Gerade bei besonders großen Demos kommt es aber auch häufig vor, dass die Polizei dich vorher zu einer behördlichen Besprechung einlädt.
Diese Besprechungen finden meistens am frühen Morgen im Gebäude der Landespolizeidirektion am Schottenring statt. An der Besprechung nehmen neben der Polizei oft auch Vertreter:innen von anderen Behörden oder Institutionen teil, zum
Beispiel von den Wiener Linien, wenn Straßenbahnen von deiner Kundgebung betroffen sind. Du musst zum Verhandlungstisch dabei nicht alleine erscheinen, sondern hast auch das Recht, dir ein oder zwei Personen zur Unterstützung mitzunehmen.
Manchmal geht es der Polizei bei der Besprechung nur darum, dich als Veranstalter:in näher kennenzulernen und schwierige Passagen auf der Demoroute durchzusprechen, es können aber auch Änderungen an deiner Anmeldung vorgenommen werden. Manchmal müssen Zeit oder Ort geändert werden, da am selben Tag bereits eine andere Veranstaltung für denselben Ort angemeldet ist. Hierbei gilt: jede Versammlung hat einen Schutzbereich von üblicherweise 50 Metern rund um den Platz, den die Kundgebung selbst benötigt. In diesem Schutzbereich darf zur selben Zeit keine andere Kundgebung stattfinden. (12)
Während einer Sitzung von Nationalrat, Bundesrat, Bundesversammlung oder Landtag gilt außerdem eine Bannmeile von 300 Metern rund um den Sitzungsort. (13) Wenn du also eine Versammlung vor dem Parlament angemeldet hast, kann es manchmal sein, dass diese kurzfristig noch aufgrund einer Sitzung verschoben werden muss.
Am Ende der Besprechung erhältst du ein Besprechungsprotokoll, in dem alle Änderungen vermerkt sind, das sowohl du als auch ein:e Vertreter:in der Landespolizeidirektion unterschreiben. Dieses ersetzt dann deine ursprüngliche Demo-Anmeldung.
Was sind Untersagungsgründe für eine Versammlung?
Grundsätzlich gilt auch bei der polizeilichen Vorbesprechung: Du befindest dich in deinem von der Verfassung geschützten Recht auf Versammlungsfreiheit, das die Polizei gewährleisten muss. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass die bloße Befürchtung von Stau kein legitimer Grund ist, dir eine Demoroute auf der Fahrbahn zu untersagen. (14)
Zulässige Untersagungsgründe für eine Versammlung sind in Absatz 2 von Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben. Dazu zählen Versammlungen, die die öffentliche Sicherheit gefährden oder die Rechte und Freiheiten anderer Personen einschränken.
Demo-Anmeldung vergessen – Was passiert jetzt?
Ein unerwarteter Erfolg, den du sogleich auf der Straße feiern willst? Eine besonders inakzeptable Aussage eines Bezirkspolitikers, gegen die du protestieren möchtest? Immer wieder kommt es vor, dass du eine Demo gar nicht 48 Stunden vorher anmelden konntest, weil zu dem Zeitpunkt der Grund für die Demo noch gar nicht existiert hat. In diesem Fall spricht man dann von einer Spontanversammlung. (15)
Grundsätzlich ist es nicht illegal, eine unangemeldete Versammlung abzuhalten. Als Versammlungsleiter:in kann es passieren, dass du dafür eine Verwaltungsstrafe bekommst. Diese befindet sich aber rechtlich auf demselben Rang wie beispielsweise Falschparken. Du musst also keinen Eintrag ins Strafregister oder andere rechtliche Folgen befürchten. Häufig sieht die Polizei auch ganz von einer Verwaltungsstrafe ab.
Für deine Versammlung kann eine Nicht-Anmeldung drei Folgen haben:
- Die Polizei legalisiert die Versammlung vor Ort und du kannst ohne Bedenken oder Änderungen weitermachen.
- Die Polizei legalisiert die Versammlung zwar grundsätzlich, spricht aber mit dir einzelne Änderungen ab. Zum Beispiel: Du darfst deine Spontankundgebung am Gehsteig abhalten, sollst aber die Fahrbahnen freihalten.
- Die Polizei löst die Versammlung vor Ort auf. In diesem Fall müssen alle Versammlungsteilnehmer:innen den Kundgebungsort verlassen. Ansonsten ist die Polizei berechtigt, die Kundgebung unter Anwendung von (maßvoller) Zwangsgewalt zu räumen. (16) Auch in diesem Fall drohen euch maximal Verwaltungsstrafen, allerdings in Form von Arrest bis zu 6 Wochen oder Geldstrafen bis zu 720,00 €. (17)
Vollständig informiert geht’s wie geschmiert!
Jetzt kennst du alle rechtlichen Grundlagen, die du für die Anmeldung einer Demonstration benötigst! Damit steht deiner ersten Kundgebung nichts mehr im Weg! Übrigens: Falls die Polizei bei Demos ihre Befugnisse überschreitet wie hier bei “StopGas” 2023: Klage bringt Erfolg!
Hier findest du unseren Leitfaden zum Ausfüllen als Download.
Quellen
- (1) https://www.jusline.at/gesetz/emrk/paragraf/artikel11
- (2)https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000249&FassungVom=2023-02-06
- (3) VfGH: VfSlg B 970/87
- (4) §11 Versammlungsgesetz
- (5) §8 Versammlungsgesetz
- (6) Landespolizeidirektion Wien: Modalitäten der Versammlung
- (7) Ausländer und Demos https://www.derstandard.at/story/2000041446829/versammlungsfreiheit-auslaender-duerfen-keine-demos-veranstalten
- (8) §16 Versammlungsgesetz
- (9) §2 Abs 1 Versammlungsgesetz
- (10) §86 STVO
- (11) §2 Abs 1 Versammlungsgesetz
- (12) §7a Versammlungsgesetz
- (13) §7 Versammlungsgesetz
- (14) VfGH B1008/2013
- (15) RIS – 10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht Ra 2017/01/0359 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) (bka.gv.at)
- (16) §14 Versammlungsgesetz
- (17) §19 Versammlungsgesetz