How To: Aktions-Mobilisierung

Du hast eine Aktion zu einem bestimmten Thema geplant? Möchtest mit einer Demo auf das Anliegen deiner Initiative aufmerksam machen, weißt aber nicht, wie du möglichst viele Menschen erreichst? Hier erfährst du, was deine Möglichkeiten sind! Ein kurzes Video zum Thema findest du auf unserem Youtube-Kanal!

Kreidebild mit dem Text "23.9. Klimastreik Weltweit"

Wen möchtest du erreichen?

Wenn du für eine Aktion mobilisieren möchtest, steht ganz am Anfang einmal die Frage, wen du eigentlich erreichen willst. Das hängt eng damit zusammen, was für eine Aktion du geplant hast, in welchem Bereich dein Anliegen liegt, wo sich deine Bürger:innen-Initiative einsetzt und wo ihr eure Stärken seht. Bei einer Rad-Demo für Familien wird eure Mobi-Kampagne anders aussehen müssen als bei einem Schulstreik. Habt ihr eure Aktion in einem Neubauviertel mit mehrheitlich junger Bevölkerung geplant, werdet ihr eure Zielpersonen auf anderen Wegen erreichen können als bei einer Aktion in einem Grätzel am Wiener Stadtrand. 

Welche Menschen sich in deinem Grätzel bewegen, weißt du sicher selbst am besten. Bei größeren Bereichen können auch Karten weiterhelfen. Hier bei Citywalx findest du beispielsweise anschaulich aufbereitete Daten zu Altersverteilung und Bildungsgrad von Personen in den jeweiligen Wiener Bezirken:

Website mit Karte und Graphen, die über die Bevölkerungszusammensetzung des 7. Bezirks informieren

Beispiel: Citywalx informiert zur Bevölkerung des siebten Bezirks.

Nicht zuletzt ist es auch wichtig, ob die Personen, die du erreichen willst, bereits aktive, in Organisationen tätige Bürger:innen sind oder einfach Anrainer:innen, zufällig ebenfalls Betroffene, Menschen, die sich vielleicht sporadisch an Aktionen beteiligen, aber nicht aktiv in einer Gruppe beteiligt sind. Erstere erreichst du zum Beispiel über interne Mail-Listen, Kontaktpersonen, die Informationen in ihre Organisationen weitertragen, Mitgliederzeitschriften oder Vernetzungstreffen. Letztere über unpersönlichere Kontaktaufnahme.

Immer wieder hat in der Vergangenheit nur eine relativ kleine, aber engagierte Personengruppe gereicht, um weitreichende Veränderungen anzustoßen. So zum Beispiel in Hainburg in den 80ern, als einige hundert Besetzer:innen nicht nur den Bau des Donau-Kraftwerks in der Stopfenreuther Au verhindert sondern auch einen langfristigen Paradigmen-Wechsel in der Energiepolitik hin zu mehr Nachhaltigkeit und sanfteren Eingriffen erreicht haben. Es ist also für uns gar nicht notwendig, alle Menschen zu erreichen, sondern die richtigen, die es schaffen, ihre Werte in die Gesellschaft hinauszutragen und ihre Anliegen zur Umsetzung zu bringen.

Ein bisschen Sozialwissenschaft

Häufig teilen wir Personengruppen nach demographischen Kategorien wie Alter, Einkommen, Bildungsgrad ein. Diese Kategorien sagen aber oft wenig aus über die Werthaltungen und Einstellungen der Personen. Um Menschen effektiv erreichen zu können, kann es daher nicht schaden, sich auch ein bisschen mit Sozialwissenschaften zu beschäftigen.

Die Sinus-Milieus sind ein sozialwissenschaftliches Konzept, mit dem unsere Gesellschaft in Gruppen “Gleichgesinnter” eingeteilt wird. Ein Milieu fasst Menschen mit ähnlichen Lebenswelten und Werthaltungen zusammen. Die letzte Studie zu den Sinus-Milieus in Österreich wurde im Jahr 2022 durchgeführt. Dabei wurden die Auswirkungen, die aktuelle Krisen auf die Einstellungen der Menschen hatten, berücksichtigt. Das Ergebnis waren zehn unterschiedliche Milieus.Treiber gesellschaftlicher Veränderung sind laut Sinus-Milieus vor allem die “progressiven Realisten”. Sie gehören der ökonomischen Mittelschicht an, haben eine hohe Bereitschaft zu Veränderung und auch dazu, sich selbst für diese einzusetzen. Ihre Werthaltung ist geprägt vom Wunsch nach Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

Die größte Gruppe macht mit 14% der österreichischen Bevölkerung die “adaptiv pragmatische Mitte” aus, die vor allem von Anpassungsfähigkeit und Unentschlossenheit geprägt ist. Sie kann sowohl die Werthaltungen der “progressiven Realisten” als auch die des traditionell-konservativen “nostalgisch bürgerlichen Milieus”, das etwa 11% der österreichischen Gesellschaft ausmacht, nachvollziehen. Sie sind also die wesentliche Gruppe, die – vor allem große – soziale Bewegungen überzeugen sollten.

Bedingungen für eine erfolgreiche Mobilisierung

Es gibt zwei verschiedene Stufen von Mobilisierung. Die erste von beiden, die einer jeden Aktionsmobilisierung vorausgehen muss, ist die “Konsensmobilisierung”. Es müssen genügend Menschen bereits über ein Problem und dessen Lösung informiert sein. Dein übergeordnetes Anliegen (zum Beispiel grünere Stadtplanung, bessere Radinfrastruktur etc.) muss auch ihr Anliegen sein. Erst dann kann in der zweiten Stufe Motivation für konkrete Aktionen geweckt werden.

Die vier wesentlichen Bedingungen für eine erfolgreiche Mobilisierung sind:

  • Das Problem: Generell gilt: ohne ein konkretes Problem, keine konkrete Mobilisierung. Am besten ist es, wenn das konkrete Projekt oder Problem, gegen das ihr mobilisiert, starke negative Gefühle, also Frustration, Unzufriedenheit oder Wut bei euren Adressat:innen hervorruft. Denn Unzufriedenheit ist ein großer Mobilisations-Faktor. Hier hilft euch auch Betroffenheit. Wenn z.B. eine neue vierspurige Autostraße quer durch ein Wohngebiet geplant ist, werden sich die betroffenen Personen am leichtesten für eine Aktion dagegen begeistern lassen.
  • Gruppen-Bezogenheit: Wenn wir uns mit einem Problem alleine fühlen, trauen wir uns oftmals auch nicht, dagegen aufzustehen, oder sehen von vornherein keine Erfolgschancen. Daher ist es bei der Mobilisierung wichtig, aufzuzeigen, dass das Problem “uns alle” oder zumindest “das gesamte Grätzel”, “alle Radfahrer:innen” etc. betrifft.
  • Die Aktion: Wenn die ersten beiden Bedingungen erfüllt sind, braucht es eine Aktion, in die die Unzufriedenheit der Betroffenen fließen kann. Das Bild, das eure Adressat:innen dabei im Vorhinein von der Aktion bekommen, trägt wesentlich dazu bei, ob eure Mobilisierung gelingt. Gibt es -in der Szene – prominente Personen, die auftreten werden? Wird ein freundlicher Eindruck vermittelt? Ist auch für Spaß und Unterhaltung gesorgt? Wie groß ist euer Protest geplant? – Massenproteste motivieren und mobilisieren daher auch stärker.
  • Günstige Rahmenbedingungen: Dazu zählt zum Beispiel ein gesellschaftliches Umbruchsklima, massenmediale Unterstützung oder konkrete politische Einflussmöglichkeiten. Wenn zum Beispiel die Stadt gerade verkündet hat, eine Straße neu zu gestalten, ist das der perfekte Moment für eure Aktion, da eure Forderungen zumindest theoretisch sofort in politische Maßnahmen fließen können.

Was dir bei der Mobilisierung ebenfalls hilft? Klare Kommunikation deiner Anliegen und Ziele. Je konkreter und verständlicher diese formuliert sind, desto eher erreichst du damit die Aufmerksamkeit der Menschen. Auch Diversität in deiner Bewegung kann dir helfen, mehr Menschen anzusprechen. Wenn du zum Beispiel Content für einen Social Media Account produzierst: Versuche unterschiedliche Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dadurch vermittelst du das Gefühl, dass dein Anliegen viele Menschen betrifft. Das hilft als Identifikationsfaktor.

Jetzt aber konkret – Was tun?

Mobilisierung findet in vielen verschiedenen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft statt: auf der Straße, auf Social Media, in den (klassischen) Medien, über interne Kontakte. Hier findest du eine Liste von Mobilisierungsformen, die du in deiner Bürger:innen-Initiative anwenden kannst!

Straßenmobi

Mobilisierung auf der Straße erfolgt in erster Linie ungerichtet. Das heißt, sie erreicht alle Menschen, die sich zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufhalten. Sie kann deiner Initiative allgemeine Sichtbarkeit in der Stadt verleihen. Gerade wenn du ein räumlich begrenztes Anliegen hast – mehr Grün in der Seestadt, weniger Parkplätze in deinem Grätzel etc. – hilft dir Mobilisierung auf der Straße aber auch relativ einfach dabei, genau die richtigen Menschen zu erreichen.

Was zählt dazu?

  • Plakate: Plakate kannst du einfach bei verschiedensten Online-Diensten bestellen. (Ökologische Druckdienste findest du beispielsweise hier und hier) Hilfreich ist ein klares, auffälliges Design und aussagekräftiger Titel. Idealerweise enthält dein Plakat Ort und Zeit deiner Aktion sowie einen Link oder QR-Code zu deiner Website/deiner Social Media Plattform, sodass sich Menschen dort auch noch zusätzlich informieren können.
  • Sticker: Sticker sind allseits beliebt, können über dieselben Seiten bestellt werden wie Plakate und schaffen es, wenn sie in die richtigen Hände gelangen, oftmals auch an Orte, an denen du sie nie erwartet hättest.
  • Flyer: Flyer erreichen tendenziell weniger Personen als Sticker oder Plakate und erfordern mehr personellen Aufwand, da deine Initiative sie üblicherweise selbst an jede einzelne Person verteilen muss. Der Wert liegt dabei meist in der persönlichen Kommunikation, die dadurch mit Menschen ermöglicht wird. Bei lokal sehr begrenzten Anliegen können Flyer auch eine sehr effektive Methode sein. Beispielsweise kannst du sie in Cafès oder Geschäften auflegen oder in Postkästen der Umgebung verteilen. Wenn du planst, mit einem Stand auf Straßenfesten oder Initiativenmessen anwesend zu sein, können Flyer auch als Informations-Material für Besucher:innen sehr brauchbar sein.
  • Kreidespray: Eine weitere Methode dein Anliegen oder von dir geplante Aktionen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen ist Kreidesprayen. Dafür brauchst du nicht mehr als eine Karton-Schablone (beispielsweise für den Namen deiner Initiative oder den Titel und Tag deiner nächsten Aktion) und ein paar Kreidespray-Dosen. Kreidespray lässt sich von Regen wieder abwaschen, du “vandalisierst” also damit nicht in deinem Grätzel, hält aber länger als gewöhnliche Kreide und kann schon mal zwei bis drei Wochen lang sichtbar sein.

Social Media

Auf Social Media erfolgt die Mobilisierung gerichteter. Sie ist bestimmt von Algorithmen, deiner Reichweite, den Menschen, die mit dir dieselbe Plattform nutzen. Zum Thema, wie du Reichweite auf Social Media aufbaust, gibt es  im Internet zahlreiche Leitfäden und Hilfestellungen. Allerdings erfordert das in erster Linie Zeit, Commitment und eine gewisse Zahl an dauerhaft aktiven Personen in deiner Initiative, die Social Media Kanäle betreuen können. Was dir dabei auf jeden Fall helfen kann? Kontakte! Prominente Persönlichkeiten verleihen deinem Anliegen mehr Reichweite und tragen es in völlig neue Kreise hinein.

Was zählt dazu?

  • Instagram: Als seit gut 10 Jahren etablierte Social Media Plattform ist Instagram wohl die erste Plattform, zu der viele Initiativen greifen, wenn sie sich eine Social Media Präsenz aufbauen wollen. Hilfreich sind dabei vor allem Connections, Menschen, die dein Profil teilen und in der Szene verbreiten, und prominentere Personen oder größere Accounts, die dir zu weiterer Reichweite verhelfen. Auch kann es nützlich sein, deinen Account als Business-Konto anzulegen. So bekommst du Zugriff auf Informationen darüber, wie viele Personen sich dein Profil oder einzelne Posts ansehen, welches Post-Format am meisten Reichweite bekommt und wann für dich die beste Zeit ist, um Beiträge zu posten. Grafiken für Social Media kannst du einfach zum Beispiel auf Canva erstellen. Dort hast du unter anderem auch Zugriff auf zahlreiche kostenfreie Grafiken und Fotos, die du in deinen Posts verwenden kannst.
  • Tiktok: Tiktok ist eine relativ neue Video-Plattform, die vor allem unter der jüngeren Bevölkerung beliebt ist und bereits anderen aktivistischen Bewegungen zu großer globaler Reichweite geholfen hat (beispielsweise die iranischen Proteste im Herbst 2022) Für lokal stark begrenzte Anliegen ist Tiktok aber wohl eher nicht die wichtigste Plattform.
  • Facebook: Facebook ist heute vor allem bei der älteren Bevölkerung beliebt, die auf anderen Plattformen häufig gar nicht vertreten ist. Somit konnte Facebook zum Beispiel in der Vergangenheit schon effektiv genutzt werden, um Pensionist:innen zu mobilisieren, während alle anderen Kanäle versagt haben. Ebenfalls praktisch sind Facebook-Gruppen, die es praktisch zu jedem Thema gibt. Du hast einen Protest in der Seestadt geplant? Suche einfach nach Facebook-Gruppen mit dem Wort “Seestadt” im Titel und du wirst einige finden, in denen du deine Aktion bewerben kannst.
  • X (vormals Twitter): Über trendende Hashtags und die Beteiligung prominenter Personen hat X bereits öfters globalen Protestbewegungen zu enormer Reichweite verholfen (beispielsweise #MeToo oder die Black Lives Matter-Bewegung) Ein auch lokal zutreffender Vorteil von X ist die Präsenz von Journalist:innen auf der Plattform, die dort nach neuen Themen, Stimmungen in der Gesellschaft und immer wieder auch nach Presse-Statements von Organisationen und Initiativen suchen.

Klassische Medien

Klassische Medien helfen, dein Anliegen an ein breiteres Publikum heranzutragen. Wenn du eine große Aktion geplant hast, bietet es sich an, bereits im Vorhinein eine Presseaussendung mit einer Ankündigung auszusenden oder, wenn die Ressourcen dafür vorhanden sind, eine Pressekonferenz zu veranstalten. Ein Artikel in einer großen Zeitung kann kurzfristig noch mehr Menschen erreichen und motivieren, zu deiner Aktion zu kommen. Ein Kommentar in einer Bezirkszeitung kann auch Menschen außerhalb deiner unmittelbaren Nachbarschaft auf deine Initiative aufmerksam machen.

Tipps für eine gelungene, das heißt für Journalist:innen wertvolle, Presseaussendung findest du unter anderem hier.

Auch hier gilt: Prominente Personen, die dein Anliegen unterstützen, helfen dir, deiner Initiative eine lautere Stimme zu verleihen und dir mehr Gehör zu verschaffen. Auch Diversität kann diesen Effekt haben. Eine Pressekonferenz, die von Personen aller Partei-Fraktionen unterstützt wird, wie es bei der berühmten Pressekonferenz der Tiere gegen das Donaukraftwerk Hainburg der Fall war? Verschiedenste Berufsgruppen, die in deiner Presseaussendung zu Wort kommen und erklären, warum dein Anliegen auch ihres ist? Das kann deine Erzählung für Medien interessanter machen und damit die Wahrscheinlichkeit eines Berichts erhöhen.

Informelle Kommunikation und Networking

Manchmal erreichst du Menschen am besten über ihre Institutionen. Zum Beispiel: Du setzt dich für Verkehrsberuhigung in einem Viertel ein, in dem sich auch eine große Schule befindet? Vielleicht kannst du durch ein Gespräch mit der Direktion die ganze Schule dazu bringen, deinen Protest zu unterstützen. Eine neue Radverbindung, die du forderst, würde die Erreichbarkeit eines großen Arbeitsplatzes in der Nähe enorm verbessern? Vielleicht schaffst du es, über interne Kanäle der betroffenen Firma oder Institution möglichst viele Angestellte dazu zu motivieren, für einen besseren Arbeitsweg auf die Straße zu gehen.

In lokalen Geschäften, Kleinbetrieben oder Gasthäusern kannst du nach Absprache Flyer oder Plakate auflegen. Ein angrenzendes Theater oder Museum könnte dein Banner an seiner Fassade aufhängen und dir somit zusätzliche Sichtbarkeit im Billboard-Maßstab bringen.

Es gilt: Fragen kostet nichts! Oftmals stellt sich heraus, dass Institutionen, Firmen oder Vereine mehr als gewillt sind, dich zu unterstützen. Vor allem, wenn dein Anliegen auch ihnen einen Vorteil bringt, wie es bei städteplanerischen Verbesserungen so oft der Fall ist!

Los geht’s!

Wir hoffen, dass dir dieser Beitrag geholfen hat. Jetzt steht deiner nächsten Aktion nichts mehr im Weg! Also legt los! Machen wir gemeinsam Wien!

Quellen

MH

Anleitungen zum Download

Sag's weiter!