Zwischen Felberstraße und Westbahnhof liegt ein sieben Hektar großer Bereich brach, den die ÖBB nicht mehr für den Bahnhofsbetrieb benötigt. Aber Wien braucht ihn dringend als Erholungsraum für die Bevölkerung und als Frischluftschneise für eine sich erhitzende Stadt.
Dafür setzt sich die bekannte Initiative WESTBAHNPARK.JETZT seit Jahren vehement ein. Doch ein vorgeschützter Beteiligungsprozess von Stadträtin Ulli Sima legt den Verdacht nahe, dass Bebauung und Verwertungsinteressen diese lebensnotwendigen Bedürfnisse überlagern könnten. Am 6.12.2023 sollten die Pläne der Stadtregierung in einer Pressekonferenz verkündet werden, die aber abgesagt wurde. Geht so Partizipation und Klimaschutz? Halten die Pläne einer kritischen öffentlichen Überprüfung nicht stand?
Die Fakten sprechen für einen Park
Für die lebenswerte Zukunft im 15. Bezirk und in der Gesamtstadt ist der große Grünraum laut WESTBAHNPARK.JETZT unabdingbar. Ein langer, zusammenhängender, unverbauter Park am Westbahnareal wäre Teil der großen Kaltluftschneise aus dem Wienerwald und der letzte noch offene Freiraum im dichten inneren Gründerzeitgebiet Wiens.
Für die Grünraumgerechtigkeit ist er essentiell, denn auf die wohnungsnahe Grünversorgung sind hier besonders viele Menschen angewiesen[1]. Die Umgebung ist am dichtesten bebaut von allen Außenbezirken Wiens[2], die Menschen hier haben am wenigsten Wohnfläche (30m2), sie verdienen am wenigsten (20.866 Euro brutto pro Jahr im Durchschnitt), sie sind unter den Jüngsten von ganz Wien (40 Jahre im Durchschnitt), und nur 56% sind wahlberechtigt. Rudolfsheim-Fünfhaus hat den geringsten Autobesitz (280/1000Einwohner:innen) und die wenigsten Radwege (39 m2/Ew.).
Die Grünraumversorgung ist derzeit bereits eklatant unterschritten[3]. Für die Nachbarschaft sind anstelle des von der Stadt angestrebten Bedarfswerts von 3,5m2 nur 1,2m2 pro Einwohner:in vorhanden, auf den Stadtteil bezogen hat der Bezirk sogar nur 0,9 m2 statt 4m2. Durch den Westbahnpark könnten 76.000 Menschen (Tendenz steigend) mit zumindest 7 Hektar Park versorgt werden. Der Park stellt also eine einmalige Chance dar, Ungerechtigkeiten abzumildern und die Grünstruktur massiv zu verbessern.
Mit dem Park die Klimakrisen-Folgen bekämpfen
Der 15. Bezirk ist mit einer Geschossflächenzahl von 2,93 ein dicht bebauter Außenbezirk in Wien. Die dichte und versiegelte Stadt ist um bis zu 8° wärmer als ihr Umland und kühlt nachts viel weniger ab. Das Westbahnareal muss daher als Teil der Frischluftschneise vom Wienerwald durch das Wiental mitten in die Stadt dienen können, um kühle Luft in die Stadt zu leiten und um urbane Hitzeinseln auszugleichen. Der geforderte Park würde den 15. Bezirk an die Klimakrise anpassen, mit echten Bäumen in echtem Boden, 70.000 m2 entsiegelter Fläche und einem zukunftsfähigen Regenwassermanagement. Klimagerechte Stadtgestaltung ist notwendig!
Begrünung mit Weitblick statt Bebauung
Schon vor der nun verschobenen Publikation der Sima-Pläne stand die Gefahr im Raum, dass bis zu 70% der Fläche des betreffenden Westbahnareals bebaut würden. Weite und Durchgängigkeit wären dann für immer verschwunden. Die Stadtregierung muss die einmalige Chance nutzen und anstelle der dichten Bebauung die bestehende Freifläche entsiegeln und zum Grünraum machen!
WESTBAHNPARK.JETZT Mitinitiatorin Lilli Lička, Professorin für Landschaftsarchitektur an der BOKU, meint: „Der Westbahnpark soll ein internationales Leuchtturmprojekt für die umwelt- und sozial gerechte Stadt werden – mit dem längsten Pool der Welt!“. Mitgründer Hannes Gröblacher sieht in dieser innovativen Form der klimagerechten Stadtreparatur eine Jahrhundertchance für Wien, ähnlich wie die Donauinsel. Christina Kirchmair, Landschaftsarchitektin und Mitglied des Vereinsvorstands, bestätigt: „Der Westbahnpark ist für den Erhalt eines erträglichen Stadtklimas von hoher Bedeutung und sichert die Lebensqualität für zukünftige Generationen!“
Achtung Particitainment!
Tausende Wiener:innen haben sich diesen Forderungen mit Aktivitäten, Petitionsunterschriften, auf Social Media und in Aktionsgruppen angeschlossen. Die Petition der Initiative WESTBAHNPARK.JETZT hat bereits mehr als 10.600 Unterschriften (Stand 1.Dezember 2023). Leider wurde das immense Engagement von der Stadtregierung nicht zum Anlass genommen, echte Beteiligung auf Augenhöhe umzusetzen, also der Bevölkerung Einsicht, Mitsprache und Mitentscheidungskompetenz zuzusprechen. „Im Hintergrund laufende Verhandlungen wurden ebenso geheim gehalten wie mögliche Player und die Planungen selbst.“, kritisiert WESTBAHNPARK.JETZT. „Der Beteiligungsprozess ist hochgradig intransparent und missachtet sämtliche Grundregeln für demokratische Partizipation. Das ist ein blanker Hohn gegenüber den engagierten Bürger:innen. Der Bevölkerung wurde seit einem Jahr nichts zur Diskussion vorgelegt, sie wird gänzlich übergangen. Die anfänglichen Wunsch-Abfrage-Veranstaltungen entpuppten sich als reines Particitainment!“
Was wird aus dem Stadtteilentwicklungskonzept?
Unter dem Schlagwort „Mitte 15“ hatte die Stadtregierung heuer die Bevölkerung dazu eingeladen, mit Planer:innen über die zukünftige Entwicklung jenes Stadtteils nachzudenken, der sich von der Märzstraße im Norden bis zur Mariahilfer Straße und Linzer Straße im Süden sowie vom Neubaugürtel im Osten bis zur Sturzgasse im Westen erstreckt. Die Ergebnisse würden dann in ein nachhaltiges Stadtteilentwicklungskonzept (SEK) eingearbeitet. „Es geht insbesondere um die Schaffung und Verbesserung des Grün- und Freiraumangebotes, den Abbau der Barrierewirkung durch die Bahnanlagen sowie Beiträge zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung. Thema werden auch mögliche Perspektiven für das Areal zwischen der Felberstraße und der Westbahn sein.“, so die Projektwebsite.
Die Ergebnisse sollten noch vor Jahresende 2023 bekanntgegeben werden, doch nun wurde die Pressekonferenz verschoben. Die Behandlung des Konzepts soll im nächsten Stadtentwicklungsausschuss stattfinden. Wir werden mit der Initiative WESTBAHNPARK.JETZT einen kritischen Blick darauf werfen und uns für eine Lösung einsetzen, die Bevölkerung und Klimakrise vollumfänglich einbezieht! Dazu gehört eine transparente öffentliche Debatte!
Update: Kommt der Westbahnpark?
Am 26.1.2024 hat die Stadtregierung das “Stadtteilentwicklungskonzept Mitte 15” veröffentlicht. Darin ist zwar ein fünf ha großer “neuer Landschaftspark” vorgesehen, der sich entlang der Bahngleise erstreckt – aber eben auch zwei ha Bebauung. Der Park selbst ist als Überplattung vorgesehen, die Betriebsgebäuden der ÖBB sowie Verkehrsflächen für den motorisierten Verkehr aufgesetzt ist. Die Initiative WESTBAHNPARK.JETZT kritisiert diese Pläne scharf und bezeichnet das Wording “Landschaftspark” als gezielte Kaschierung der eigentlichen Bebauungsinteressen. Denn: “Ein Park enthält keine Hochhäuser!” In einer Stellungnahme schrieb die Initiative: “Beabsichtigt die Stadt Wien also ernsthaft, auf dem Westbahngelände neue Gebäude oder gar Hochhäuser zu errichten, dann ist dies ein Schlag ins Gesicht jener Menschen, die im 15. Wiener Gemeindebezirk entlang der Westbahn leben und dringend mehr Grünraum brauchen.”
Stellungnahme von WESTBAHNPARK.JETZT zum Veröffentlichten “Stadtentwicklungskonzept Mitte 15”
Stellungnahme von WESTBAHNPARK.JETZT zur Verschiebung der Plan-Veröffentlichung
Stadtentwicklungskonzept Mitte 15
WESTBAHNPARK.JETZT auf Social Media
Online-Petition für den Westbahnpark
Beitragsbild-Quelle: Benedikt Safer/WESTBAHNPARK.JETZT
[1] https://www.wien.gv.at/statistik/bezirke/rudolfsheim-fuenfhaus.html
[2] Kirchmair, Christina (2019): Freiraum Westbahnareal. Konversionsflächen als Ausgleich urbaner Verdichtung, dargestellt am Beispiel des 15. Wiener Gemeindebezirks Rudolfsheim-Fünfhaus. Diplomarbeit Institut für Landschaftsarchitektur BOKU Wien.
[3] Ebda. S.103ff.