Mit dem Wiener Klimateam will die Stadt Wien ihren Bürger:innen ermöglichen, ihr Umfeld klimagerecht mitzugestalten. In diesem Beitrag erklären wir dir, was das Klimateam leistet und was du davon in Zukunft erwarten kannst.
Im Jahr 2022 hatte Klimastadtrat Jürgen Czernohorsky das “Wiener Klimateam” gestartet. Alle Bürger:innen Wiens konnten dabei Ideen für ein klimagerechtes Wien für die Bezirke Simmering, Ottakring und Margareten einreichen. Im Jahr 2023 wurde der Prozess für die Bezirke Währing, Floridsdorf und Mariahilf fortgesetzt. Dabei werden Maßnahmen auf Basis der eingebrachten Ideen erarbeitet und mit einem Umsetzungsbudget ausgestattet, das insgesamt bei 13 Millionen Euro für die Ideen der Jahre 2022 und 2023 liegt. In diesem Betrag sind auch auch Kosten für Durchführung der Partizipationsverfahren inkludiert.
Nach seiner zweijährigen Pilotphase wird das Wiener Klimateam aktuell optimiert und soll im Herbst 2024 in eine neue Runde starten.
Was ist das Wiener Klimateam?
Ziel der Wiener Klimateams ist es, die Bevölkerung besser in die Planung und Gestaltung der Stadt einzubinden und auch innerhalb der Stadtverwaltung Kompetenzen für Partizipation auszubauen. Speziell sollen auch Menschen angesprochen werden, die noch nicht organisiert sind und sich vielleicht zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigen.
Als Budget stehen den Klimateams 20€ pro Kopf im jeweiligen Bezirk zur Verfügung. Mit diesem Budget werden Projekte umgesetzt, die in einem gemeinsamen Partizipationsprozess entwickelt wurden. Laut Stadt Wien summiert sich dieses Budget auf die oben erwähnten 13 Millionen Euro inklusive Projektbetreuung.
Der Partizipationsprozess
In einer ersten Phase können dafür von allen Bürger:innen Wiens Ideen eingereicht werden. Die Ideen werden anschließend von Dienststellen der Stadtverwaltung sowie Fachexperte:innen auf folgende Kriterien überprüft:
- Die Idee hat eine positive Wirkung aufs Klima, wobei hier sowohl Projekte zugelassen sind, die den Wiener Emissionsausstoß reduzieren, als auch welche, die die Stadt an die fortschreitende Erhitzung anpassen. Außerdem werden auch Ideen akzeptiert, die eine nachhaltige Ressourcen-Nutzung ermöglichen.
- Die Idee trägt zur Steigerung sozialer Gerechtigkeit und zur Gemeinschaftsbildung bei. Sie kommt möglichst vielen Bevölkerungsgruppen zugute, wobei vor allem jene Gruppen hervorgehoben werden, die von der Klimakrise besonders betroffen sind.
- Die Idee ist innerhalb von zwei Jahren durch die Stadt Wien oder ihre Bezirke umsetzbar. Das heißt, es muss sich um öffentliche Flächen oder Gebäude handeln.
- Die Idee ist öffentlich-rechtlich möglich. Das bedeutet, dass sie mit österreichischem Recht im Einklang stehen muss und dem öffentlichen Interesse, anstatt lediglich Einzelpersonen, dient.
- Die Idee verursacht möglichst geringe Folgekosten und stellt somit den laufenden Betrieb sicher.
- Die Idee fällt in den Zuständigkeitsbereich der Stadt Wien.
Einige Ideen werden in dieser Phase durch die Expert:innen ausgeschieden. Die übrigen werden in einem gemeinsamen Prozess von Bürger:innen und Stadtverwaltung weiterentwickelt. In einem Workshop-Setting mit der können sich Ideengeber:innen an der Projektentwicklung beteiligen. Ein zweiter Workshop ermöglicht es auch Menschen, die keine eigenen Ideen eingereicht haben, ihre Meinungen einzubringen. Ähnliche Ideen werden geclustert und zu einem Projekt zusammengefügt.
In dieser Phase wird auch eine Kostenschätzung durch Dienststellen der Stadt durchgeführt, die entscheidend dafür ist, welche Projekte aus finanziellen Gründen überhaupt umgesetzt werden können. Die Mittel pro Bezirk sind ja durch den Pro-Kopf-Schlüssel definiert, für Mariahilf stehen dadurch beispielsweise rund 600.000 Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Eine Baumpflanzung auf einer bestehenden Straße kann je nach Aufwand bis zu 30.000 Euro kosten. (1)
Die Entscheidung, welche Projekte in die Umsetzung gehen sollen, wird anschließend von einer ausgelosten, für den Bezirk repräsentativen Bürger.innen-Jury getroffen. Dabei gibt es eine eigene Jury pro Bezirk, die jeweils eigene Bewertungskriterien ausarbeitet.
Wiener Klimateam als Bürger:innen-Budget verstehen
Die Wiener Klimateams verfügen über das oben erwähnte Umsetzungsbudget aus dem Stadthaushalt. Dadurch reiht sich das Format in die Reihe der “Partizipativen Bürger:innen-Budgets” ein, wie sie hier gut erklärt werden. Dabei gibt ein Gemeinderat ein bestimmtes Budget zur partizipativen Umsetzung durch Bürger:innen frei, deren Ideen von der Verwaltung geprüft und von Bürger:innen-Jurys ausgewählt werden.
Mit diesem Format haben Städte von Paris über Stuttgart bis Budapest gute Erfahrungen gemacht. Bei den österreichischen Beispielen von Bürger:innen-Budgets obliegt die Umsetzung der Projekte bislang nur der Verwaltung. In deutschen Kommunen setzen Bürger:innen die ausgewählten Projekte sowohl eigenständig als auch zusammen mit der Verwaltung um.
Wenn du also eine inhaltlich passende Idee beim Klimateam einreichen willst, solltest du dir im Vorhinein Gedanken machen, ob…
- …die finanziellen Ressourcen dafür vom Klimateam gestemmt werden können.
- …das Projekt innerhalb der vorgegebenen Zeit umgesetzt werden kann.
Wenn du Sorge hast, die Kriterien des Klimateams nicht zu erfüllen oder nicht in die Auswahl zu kommen, gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten für dein Anliegen aktiv zu werden. Auf unserer Karte findest du Wiener Bürger:innen-Initiativen, denen du dich anschließen kannst. Wenn du selbst eine Initiative gründen willst, findest du hier nützliche Tipps für die Gruppen-Organisation!
Was hat das Klimateam bisher konkret bewirkt?
Der gesamte Prozess der Klimteam-Entscheidungen von der Ideeneinreichung bis zur Umsetzungszusage ist umfangreich. Neben inhaltlichen Kriterien ist die finanzielle Umsetzbarkeit im Rahmen des dafür gewidmeten Budgets pro Bezirk ausschlaggebend, aus 1.300 eingereichten Ideen wurden 34 Gewinner-Projekte ausgewählt. Weder bei zu- noch bei abgesagten Projekten wird aber im Einzelnen öffentlich dargelegt, warum darüber so entschieden wurde und welche Kalkulationen dem zugrunde liegen. Dadurch ist nicht nachvollziehbar, wie beispielsweise ein Budgetrahmen von einer Million Euro in Margareten verwendet wird – und warum manche Projekte nicht zugesagt werden, die große Klimawirkung entfalten können. Denn im fünften Bezirk wurden Fassadenbegrünungen und Baumpflanzungen zugesagt, das Projekt “Spengergasse klimafit machen” leider nicht. Der ursprünglich zugesagte Superblock in Margareten zur Verkehrsberuhigung kann noch nicht umgesetzt werden, da die zuständige Stadträtin Ulli Sima weitere Supergrätzl erst nach der Umsetzung des Pilotprojekts in Favoriten zulassen will.
Ein Blick auf weitere Projektzusagen in Auszügen: In Ottakring wurde die klimafreundliche Gestaltung des Hippviertels zugesagt, Begrünungen von Ottakringer Straße und Schuhmeierplatz aber nicht. Der Falter hat hier Umsetzungsprobleme angeführt, wonach vom zugesagten Supergrätzel im Neulerchenfeld “nur die Begrünung eines einzigen Straßenzuges” übrigbleibe und in der Friedrich-Kaiser-Gasse statt der verkehrsberuhigenden Sackgasse nur eine Wohnstraße komme. In Simmering sollen Fassadenbegrünungen an Gemeindebauten und Baumpflanzungen gemacht werden, das Begrünen des Franz-Haas-Platzes wurde aber durch die Expert:innenjury abgelehnt. Kleinprojekte ohne nennesnwerte Klimawirkung wie Öklo-Toiletten oder Wurmhotels wurden auf Beschluss der Bürger:innen-Jury zur Umsetzung vorgesehen.
In Mariahilf kommen mit der grünen Lebensoase Rahlgasse (Bild oben) inklusive Parkplatzreduktion und der Begrünung am Schulvorplatz in der Corneliusgasse unter anderem gute Projekte zur Umsetzung, die Einreichungen für “Bäume statt Parkplätze” und einen begrünten Vorplatz vor dem Raimund Theater wurden abgelehnt. Die Rahlgassen-Umgestaltung wurde 2021 erstmals durch die Bezirksvorstehung initiiert, zwei Jahre vor dem Klimateam-Beschluss. In Währing werden die Begrünung der Antonigasse und Kühlräume zum Schutz der Bevölkerung umgesetzt, das Kutschkerblock-Supergrätzl leider nicht. Der bevölkerungsreiche Bezirk Floridsdorf mit dem hohen Klimateam-Budget von 3.600.000 € kann “klimafitte” Frauenstiftgasse, Schlingermarkt und Haltestellen als Zusagen vorweisen. Warum aber Fahrradständer für den Karl-Seitz-Hof ins Klimateam-Budget fallen, obwohl jeder Bezirk laufende Budgets für Radständer haben sollte, ist schwer verständlich. Generell lässt auch die Umsetzung der zugesagten Projekte länger auf sich warten als gehofft.
Die Zukunft des Wiener Klimateams
Im Rahmen der Nominierung als “European Capital of Democracy 2024/25” (ECoD) will die Stadt Wien generell die Möglichkeiten zur Partizipation ausbauen . Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Klimateam, das institutionalisiert und optimiert werden soll. (2) Das Programmjahr des ECoD beginnt im Oktober 2024 und läuft damit parallel zum Wiener Wahlkampf bis zum voraussichtlichen Termin der Gemeinderatswahl im Herbst 2025. Laut Stadt Wien soll “ein Demokratiejahr den Fokus auf weitere demokratiestärkende Veranstaltungen, Initiativen und Projekte setzen.” Das werden wir genau beobachten!
Die nächste Möglichkeit zum Einreichen wird voraussichtlich im Herbst 2024 bestehen. Zur Zeit befindet sich der Klimateam-Modus in einer Phase der Überarbeitung, wie das WirMachenWien-Team bei einem Gespräch mit der Projektleitung im Jänner 2024 erfahren konnte.
Aus unserer Sicht einer Plattform für bessere Partizipation in Wien gibt es mehrere Ansatzpunkte zur Optimierung des Klimateam-Formats, auch wenn die Grundidee und die sorgfältige Begleitung durch das Projektteam als positiv herauszustreichen sind. So sollte die Chance nicht vergeben werden, durch mehr Transparenz über Entscheidungsprozesse und bei der Auswahlbegründung eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung sicherzustellen. Eine wesentliche Hürde bei der Auswahl ist der Zeitrahmen von zwei Jahren Umsetzungszeit, wodurch vieles bereits im Vorhinein ausgeschlossen werden kann. Um wirklich effektive Maßnahmen gegen die Klimakrise zu setzen, sollten der Umsetzungszeitraum überdacht und das Umsetzungsbudget pro Bezirk erhöht werden.
In der Pilotphase 2022/2023 wurde die Ideensammlung des Klimateams in drei Bezirken pro Jahr durchgeführt. Die Ausweitung auf alle Bezirke ist angekündigt – dabei müsste aber eine größere Anzahl von Bezirken pro Jahr involviert werden, denn in diesem Rhythmus kämen Bezirke nur alle sieben Jahre an die Reihe. So viel Zeit lässt uns die Klimakrise nicht!
Literaturtipp: Leitfaden “Bürgerbudgets in Deutschland”, download
(1) https://www.heute.at/s/ein-baum-kostet-30000-gruene-wollen-100000-in-wien-100103957
(2) https://www.wien.gv.at/politik-verwaltung/europaeische-demokratiehauptstadt.html