Die Wiedner Agenda-Gruppe RAUM-FAIR-TEILEN brachte im September 2022 die Petition “Tempo 30 auf der ganzen Favoritenstraße im 4. Bezirk” nach dem Gesetz über Petitionsgesetz der Stadt Wien ein, im November 2022 wurde das Unterschriftenziel erreicht. Bürger:innen kennen ihr Grätzl am besten und leisten mit ihrer Beteiligung einen wertvollen Beitrag zu dessen Gestaltung. Aktive Einbindung der Bürger:innen ist der Stadt Wien ein zentrales Anliegen. So wirbt die Stadt Wien um Partizipation ihrer Bewohner:innen. Die Empfehlung des Petitionsausschusses im März 2023 fiel jedoch enttäuschend aus.
Entstehung des Anliegens
Im Jahr 2022 wurde die Favoritenstraße im Bereich des 4. Bezirks umgestaltet. Sicherheit für Fußgänger:nnen zu schaffen und die Aufenthaltsqualität aufzuwerten waren die Ziele. Eine wesentliche Komponente ist die Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h. Zwischen Gürtel und Rainergasse wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h beibehalten. Das konterkariert die gesamte Umgestaltung hin zu mehr Lebensqualität und einem öffentlichen Raum, in dem das Verweilen von Menschen angenehm gestaltet werden sollte.
Die Petition
Um auf diese Situation aufmerksam zu machen wurde von Christine Schleifer-Tippl (StV. Sprecherin der Wiedner Agenda-Gruppe RAUM-FAIR-TEILEN) die Petition TEMPO 30 auf der GANZEN Favoritenstraße im 4. Bezirk nach dem Gesetz über Petitionen in Wien am 15. September 2022 eingebracht.
Die geforderten 500 Unterschriften waren im November 2022 bereits erreicht. Mitglieder der Agenda-Gruppe haben auch Passant:innen und Geschäftsleute auf und im Umfeld der Favoritenstraße direkt kontaktiert. Die Rückmeldungen beim Sammeln der Unterschriften zeigten, dass nahezu alle angesprochenen Personen eine Temporeduktion begrüßen und sie unter der derzeitigen Verkehrssituation leiden.
Im Dezember 2022 bekannte sich die Bezirksvertretung Wieden in einem einstimmigen Beschluss (Protokoll: Punkt 29. BV 4 – S 2381426/22) zu einem Antrag auf Tempo 30 auf der Favoritenstraße.
Öffentlicher Verkehr als Hindernis für Verkehrsberuhigung?
Als Begründung für die Beibehaltung der 50 km/h wird die Route des 13A genannt, die keinesfalls beeinträchtigt werden darf. Die Route des 13A verläuft hier auf einer Länge von 340 m lediglich stadtauswärts. Die örtlichen Gegebenheiten (bergauf, Schutzwege, Ampeln, Haltestellen) ermöglichen dem 13A, dass er auf einer Strecke von 220 m – er biegt von der Haltestelle Rainergasse auf die Favoritenstraße und kann bis zur nächsten geregelten Ampelkreuzung – beschleunigen und wieder abbremsen. Durchgeführte Messungen durch Mitglieder der Agenda-Gruppe zu unterschiedlichen Uhrzeiten und Wochentagen ergaben, dass der 13A hier gelegentlich bis zu 33 km/h erreichte. Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrs bei einer verordneten 30er Zone kann daher nicht erwartet werden. Außerdem gibt es andere, vergleichbare Beispiele: so wurde etwa auf der viel längeren Gumpendorfer Straße ein Tempo 30 trotz Buslinie umgesetzt.
Eine Stellungnahme der Wiener Linien, die direkt an die Petitionseinbringerin gerichtet war, bezog sich generell auf Tempo 30 und ging nicht auf die örtlichen Gegebenheiten ein. Eine sachliche Prüfung wäre jedoch wichtig.
Erläuterung im Petitionsausschuss
In der Sitzung des Petitionsausschusses am 6. März 2023 erläuterte Christine Schleifer-Tippl die Intention der Petition einschließlich der örtlichen Gegebenheiten. Die Stimmung unter den SPÖ-, NEOS- und GRÜNE- Mitgliedern des Petitionsausschusses war sehr positiv. Es gab viele wertschätzende Rückmeldungen zum Engagement und Wortmeldungen der genannten Ausschussmitglieder (siehe Video auf der Petitionsplattform) ließen eine positive Empfehlung des Ausschusses erwarten.
Die in der Sitzung des Petitonsausschusses am 27. März 2023 beschlossene Empfehlung an die zuständige amtsführende Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität Mag.a Ulli Sima ist jedoch ernüchternd. Es soll „verstärkt ein Hauptaugenmerk auf verkehrsberuhigende Maßnahmen in der Favoritenstraße gerichtet werden, um die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu erhöhen.“ (Quelle: Protokoll Stadt Wien) Ein anderer Antrag, der klar ein Tempo 30 fordert, findet im Petitionsausschuss entgegen der positiven Signale der Mitglieder des Ausschusses keine Mehrheit.
Bürger:innenbeteiligung ohne Wirkung?
Für die engagierten Bürger:innen, die viel Energie und Zeit in die Bewerbung und Umsetzung der Petition gelegt haben, ist diese Erfahrung eine große Frustration. Dabei ist den Bürger:innen bewusst, dass nicht alle Anliegen, die Bewohner:innen haben, umgesetzt werden können. In diesem speziellen Fall fehlt jedoch jegliche nachvollziehbare Erklärung – ein lokalpolitisch und lokaldemokratisch unterstütztes (sehr kleines und kostengünstiges) Anliegen für eine lebenswertere Stadt wird ohne gute Begründung mit einer vagen Empfehlungen abgetan. Die Botschaft ist damit inhaltlich und demokratisch ernüchternd: Einerseits wirbt die Stadt Wien um Partizipation der Wiener:innen und möchte gemeinsam Klimamusterstadt werden und andererseits ist geleistetes Engagement für eine lebenswertere Stadt vergebene Mühe.
Stand: 31. Mai 2023, verfasst von Christine Schleifer-Tippl (StV. Sprecherin der Wiedner Agenda-Gruppe RAUM-FAIR-TEILEN) und Johannes Brossmann (Team AgendaWieden)
Weitere Infos hier bei RAUM-FAIR-TEILEN