Der Begriff Partizipation bedeutet laut der Plattform Partizipation.at im Wortsinne Beteiligung, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung. Im aktuellen Sprachgebrauch wird darunter das Teilhaben an gesellschaftlichen und politischen Prozessen und Entscheidungen verstanden. Als Synonym wird der Begriff Bürger:innenbeteiligung verwendet. In einem engeren Sinn ist damit die Beteiligung von Bürger:innen als Einzelpersonen oder in Form von Bürger:innen-Initiativen an einem Vorhaben von öffentlicher Bedeutung gemeint, um ihre Interessen einzeln oder als Gruppe einzubringen.
Wie weitreichend die Beteiligungsmöglichkeiten in einem Beteiligungsprozess sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einerseits bestimmt die Art des Verfahrens oder die gewählte Methode, wie stark die Interessen von Bürger:innen und Interessensvertreter:innen einfließen können. Andererseits ist die Bereitschaft der Entscheidungsträger:innen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft ausschlaggebend, inwieweit sie die Ideen anderer Akteur:innengruppen in Planung und Entscheidung berücksichtigen wollen.
Varianten der Partizipation
Das „Handbuch Öffentlichkeitsbeteiligung“ von Lebensministerium und ÖGUT spricht von informativer Beteiligung, wenn Betroffene und Interessierte über ein Vorhaben und seine Auswirkungen nur informiert werden, ohne Möglichkeit die Entscheidungen zu beeinflussen. Beispiele hierfür sind Informationsveranstaltungen oder das Auflegen von Plänen zur Einsichtnahme.
Bei Prozessen der konsultativen Beteiligung können Betroffene und Interessierte zu vorgelegten Vorschlägen, Plänen oder Entscheidungen Stellung nehmen sowie ihre Ideen einbringen, die bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Die weitere Aushandlung dieser Entscheidungen findet jedoch ohne die konsultativ beteiligten Bürger:innen statt.
Die am weitesten gehende Form der Beteiligung ist die Mitbestimmung. Betroffene und Interessierte erhalten dabei die Möglichkeit, bei der Entwicklung des Vorhabens, seiner Ausführung und Umsetzung mitzubestimmen, beispielsweise bei einem Mediationsverfahren. Der Grad der Mitbestimmung kann von der gemeinsamen Entwicklung von Vorschlägen bis hin zu weitgehenden Entscheidungsrechten der Beteiligten reichen.
Rechtlicher Rahmen in Österreich
Auf der Bundesebene finden sich laut Partizipation.att neben dem Bundes-Verfassungsgesetz, das die direktdemokratischen Formen der Beteiligung (Volksbegehren, Volksabstimmung und Volksbefragung) regelt, rechtliche Regelungen zur Beteiligung z.B. in der Gewerbeordnung, dem Wasserrechtsgesetz oder den Raumordnungsgesetzen der Länder. Eine wichtige Unterscheidung ist jene zwischen formalen und informalen Beteiligungsverfahren.
Formale Verfahren sind verpflichtend durchzuführen und es ist gesetzlich geregelt, wer sich beteiligen kann, wie weitreichend die Beteiligungsrechte sind, wie das Verfahren abläuft und was mit den Ergebnissen geschieht. Zu den formalen Verfahren zählen in Österreich Genehmigungsverfahren wie Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Naturschutzverfahren für Betriebsanlagen oder Wasserbauprojekte, ebenso wie Planungsverfahren zur Erstellung von Flächenwidmungsplänen oder Regionalprogrammen. Am Ende eines formalen Verfahrens liegt eine behördliche Entscheidung, beispielsweise ein Bescheid, und/oder eine politische Entscheidung, etwa ein Gemeinderatsbeschluss, vor.
Informale Beteiligungsverfahren sind nicht auf diese Weise geregelt und können je nach Anlass unterschiedlich gestaltet sein. Sie basieren auf Freiwilligkeit und dem Prinzip der gemeinsamen Aufgabenbearbeitung. Wer sich beteiligt, wie gearbeitet wird, welche Methoden zum Einsatz kommen und welche Spielregeln dabei gelten, wird im Vorfeld festgelegt oder von den Mitwirkenden selbst bestimmt. Die Verbindlichkeit der erarbeiteten Lösungen hängt von Vereinbarungen über den Umgang mit den Ergebnissen ab. Sie haben in der Regel empfehlenden Charakter und dienen der Entscheidungsvorbereitung für Gremien wie den Gemeinderat, können aber – z.B. durch einen Gemeinderatsbeschluss – Verbindlichkeit erlangen.
Soweit die Informationsplattform Partizipation.at, die vom Klimschutzministerium finanziert wird.
Und wie sieht das in Wien aus?
Das Demokratiezentrum Wien, eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung mit Aufgaben in der Demokratieforschung und der Demokratiebildung, wirft hier einen Blick auf das Wiener Petitionswesen und die Lokale Agenda 21, die beiden etabliertesten Beteilgungsformate der Stadt Wien.
Seit 2013 besteht für Wiener:innen die Möglichkeit, auf Basis des Wiener Petitionsgestzes Forderungen, Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten des Landes Wien und der Bezirke per Petition an den „Gemeinderatsausschuss Petitionen und Bürger:inneninitiativen“ zu richten. Wir haben dazu alle Details hier in unserem Tutorial How To Petitionen geschildert. Eine Liste aller aktuellen Petitionen findet ihr hier.
Das Demokratiezentrum merkt an, dass “Petitionen heute zum Standardrepertoire der politischen Partizipation in demokratischen liberal-parlamentarischen Regierungssystemen zählen und als Ergänzungen zum repräsentativen Delegations- und Entscheidungsfindungsprozess gesehen werden können.” Die Politikwissenschaftler:innen Sieglinde Rosenberger und Jeremias Stadlmair hileten allerdings fest, dass „Bürger:innen auch bei diesen Formen nur in Verbindung mit Akteuren und Institutionen repräsentativer Politik über ein Gestaltungspotential verfügen“. Was das in der gelebten Praxis für Bürger:innen-Initiativen bedeutet, wird an anderer Stelle ausführlich zu beleuchten sein. Einen Einblick gibt diese ausführliche Stellungnahme von “Platz für Wien”, die 57.000 Unterschriften vorweisen konnten, ohne eine adäquate Reaktion vom Petitionsausschuss oder von vielen der angesprochenen Politiker:innen zu bekommen.
Die Lokale Agenda 21 Wien stellt das zweite Standbein der formellen Beteiligung in Wien dar. Der Verein LA 21 fördert laut Demokratiezentrum Bürger:innen-Beteilungsprozesse, die auf eine nachhaltige Stadtentwicklung abzielen. „Bürger:innen sollen als politische, stadtgestaltende Akteur:innen ermächtigt werden, indem ihre Lebenswirklichkeiten und Interessen durch die LA 21 als intermediäre Instanz mit politischen Entscheidungsträger:innen und Verwaltungsinstanzen verbunden werden.“
Lokale Agenda 21-Prozesse existieren global und gehen auf die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro zurück, wo die Agenda 21 als globales Aktionsprogramm der nachhaltigen Entwicklung beschlossen wurde. In Österreich wurden seit 1998 mehr als 500 Lokale Agenda 21-Prozesse in Gemeinden, Bezirken, Städten und Regionen durchgeführt.
In Wien sind zahlreiche LA 21-Agendagruppen aktiv, einige davon befinden sich auch auf unserer Plattform, da sie sich mit den Themen der klimagerechten Gestaltung von Verkehr und öffentlichem Raum befassen. Einen Überblick über Agenda-Gruppen findet ihr hier, ihre aktuellen Projekte sind hier aufgelistet. Auch die Grätzloase-Initiative wird von der LA21 verwaltet. Bei dieser fördert die LA21 u.a. die Errichtung von sogenannten „Parklets“, also fixen Aufenthaltsmöglichkeiten statt Parkplätzen. Alle Infos dazu hier.
Der Vorstand der LA21 besteht aus Wiener Gemeinderät:innen unter Vorsitz des amtsführenden Stadtrats für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal. Dieser Vorstand entscheidet vor allem über die inhaltlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der Vereinstätigkeit. Auch dieses Instrument der Beteiligung ist also nach Rosenberger/Stadlmaier “nur in Verbindung mit Akteuren und Institutionen repräsentativer Politik” bzw. unter deren Leitung zugänglich.
Weitere Partizipationsmöglichkeiten in Wien
Neben diesen beiden großen institutionellen Angeboten der Stadtregierung, die auf einige Kritik stoßen, gibt es noch neuere große Beteiligungsformate wie das Wiener Klimateam oder kleine Anhörungsverfahren bei Stadterneuerungen, die von den Gebietsbetreuungen in Kooperation mit Bezirksvorstehungen angeboten werden. Darüber werden wir an anderer Stelle ausführlicher berichten. Darüber hinaus gibt es laut Wiener Stadtverfassung die Möglichkeit eines Volksbegehrens auf Stadtebene, das aber noch nie ergriffen wurde. Gründe dafür könnten die unverhältnismäßig hohe Eintragungshürde sein – 5% der Wahlberechtigten im Vergleich zu ca. 1% auf Bundesebene – und die unzeitgemäße Eintragungsform: Handysignaturen sind nicht zugelassen, es bliebe nur der Weg zum Bezirksamt.
Und es gibt uns hier, die engagierten Bürger:innen mit höherem Anspruch an echte Partizipation. Machen wir Wien!
Quellen:
- „Handbuch Öffentlichkeitsbeteiligung“ von Lebensministerium und ÖGUT, Wien 2005
- Website www.partizipation.at von Klimaschutzministerium und ÖGUT, 2023
- Partizipationsformen in Wien, Working Paper 4 des Demokratiezentrum Wien, Markus Köck, 2020
Foto: PID/Markus Wache